Bei einem der schlimmsten Waldbrände in Portugals Geschichte ist die Zahl der Toten auf 62 gestiegen. Unglücksursache könnte Blitzschlag sein. Regierungschef Costa ordnete mehrtägige Staatstrauer an.
Madrid/Lissabon. Erst im Laufe des Sonntags wurde das ganze Ausmaß der Katastrophe klar. Die Feuerwehrmänner, die sich am Morgen zu den von Flammen eingeschlossenen portugiesischen Ortschaften im Landesinneren durchkämpften, stießen auf ein Bild des Grauens: Auf den Zufahrtsstraßen fanden sie ausgebrannte Autowracks mit verkohlten Leichen. Offenbar wollten die Menschen fliehen. Aber ihre Flucht wurde durch Flammenwalzen gestoppt, die sich durch das Waldgelände fraßen.
Weinende und verletzte Menschen schleppten sich den Helfern entgegen. „Die Gewalt des Feuers war sehr groß“, sagte Valdemar Alves, Bürgermeister des 2000-Seelen-Ortes Pedrógão Grande. „Für viele Menschen gab es keine Zeit zu entkommen.“ Der Wind sei sehr heftig gewesen, habe immer wieder gewechselt und Flammenwände gleichzeitig in mehrere Richtungen getrieben. Einige Ortsteile seien „von den Flammen völlig eingekesselt“ worden, sagte Alves. Der Zusammenbruch des Telefonnetzes habe es erschwert, die Menschen zu warnen.
Bis zum Sonntagnachmittag fanden die Helfer 62 Tote. Etliche Personen wurden vermisst. Die Zahl der Todesopfer könnte noch steigen. Unter den Opfern befinden sich offenbar auch mehrere Feuerwehrleute. Mehr als 50 Personen sollen verletzt worden sein, mehrere befinden sich mit lebensgefährlichen Verletzungen im Krankenhaus. Viele Bewohner, die ihre Häuser schützen wollten, erlitten Rauchgasvergiftungen. Tausende wurden evakuiert, mehrere Menschen mussten per Hubschrauber gerettet werden.
Flugzeuge aus Spanien und Frankreich
Am schlimmsten wütete das Feuer zwischen den drei Dörfern Castanheira de Pêra, Figueiró dos Vinhos und Pedrógão Grande, rund 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt Lissabon. Nach ersten Ermittlungen entstand das Feuer am Samstagmittag in der Nähe von Pedrógão Grande durch einen Blitzeinschlag in einen Baum. Dadurch sei vermutlich der Wald in Brand gesetzt worden, sagte Portugals Kripo-Chef, Almeida Rodrigues.
Es ist die größte Waldbrand-Katastrophe, an die sich die Portugiesen erinnern können und vermutlich eine der schlimmsten Buschfeuer-Tragödien Europas. Der sozialistische Regierungschef António Costa kündigte mehrtägige Staatstrauer an. Portugal bat die EU um Hilfe. Spanien und Frankreich schickten Löschflugzeuge.
Auch im Vorjahr tobten zahlreiche schwere Waldbrände im Land der Korkeichen und reichen Eukalyptuswälder, wo in 2016 mehr als 1000 Quadratkilometer Landschaft abbrannten.
Mangelnde Waldpflege und fehlender Brandschutz wird in Portugal schon lange kritisiert. Der Forst wird vielerorts nicht gesäubert, Löschteiche werden nicht gefüllt, Brandschneisen lässt man zuwachsen: Nachlässigkeiten, die im Ernstfall zum Brandbeschleuniger werden können.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2017)