Schulreform mit „Licht und Schatten“

Bildungsministerin Hammerschmid flankiert von Wissenschaftsminister Mahrer (links) und dem grünen Bildungssprecher Walser.
Bildungsministerin Hammerschmid flankiert von Wissenschaftsminister Mahrer (links) und dem grünen Bildungssprecher Walser. (c) APA/HANS PUNZ
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Im letzten Moment gab es bei der Bildungsreform doch noch eine Einigung. Die Grünen beklatschten einen „historischen Tag“. Die Neos sehen einen „Kniefall vor den Landesfürsten“.

Wien. Die Verlautbarung der Einigung bei der Bildungsreform war ähnlich chaotisch wie die langen Verhandlungen selbst: Nur 45 Minuten vor dem Start der im Parlament einberufenen Sondersitzung mit dem Titel „Die gescheiterte Bildungsreform der Kern-Kurz-Regierung“ präsentierte ebendiese Regierung gemeinsam mit den Grünen die Einigung bei der Bildungsreform.

Inmitten der Säulenhalle des Hohen Hauses nahmen Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ), Wissenschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) und der grüne Bildungssprecher Harald Walser Aufstellung vor den Kameras. Ein geeigneter Raum ließ sich in der Eile nämlich gar nicht mehr finden. Zu lange hatten die Verhandlungen gedauert und zu ungewiss war deren Ausgang.

Durch die Einigung gibt es nun jedenfalls die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Damit kann es schnell gehen. Noch in der gestrigen Sondersitzung wurde das Gesetzespaket dem heute tagenden Unterrichtsausschuss zugewiesen. Bereits Ende Juni sollen die Gesetze im Parlament beschlossen werden.

Genau dort wurde gestern über die Sinnhaftigkeit der Reform diskutiert. Es sei „ein Tag mit Licht und Schatten“, sagte Neos-Parteichef Matthias Strolz, um sich dann vor allem auf den Schatten zu konzentrieren. Die Neuregelung der Behördenstruktur im Schulbereich sei ein „Kniefall vor den Landeshauptleuten“. Die haben nämlich auch in den neuen Bildungsdirektionen immer noch ein Wörtchen mitzureden, sagt Strolz und kritisiert dafür nicht nur die Regierung, sondern auch die Grünen als „Steigbügelhalter“.

Die Grünen wiederum verteidigten ihre Unterstützung des Regierungspakets. Die einzig wichtige Frage sei: „Ist die Situation besser oder schlechter als vorher? Und sie ist meilenweit besser“, erklärte Walser. Die Grünen freuen sich vor allem über die Zugeständnisse bei den Modellversuchen zur Gesamtschule. Bei diesem bis zuletzt strittigen Punkt hat man sich nämlich erst am Montag geeinigt.

Gesamtschule wird möglich

„Es ist ein historischer Tag“, so Walser. Immerhin sei das Ende der „100-jährigen Blockade“ bei der Gesamtschule eingeläutet worden. Die ÖVP habe sich „von einem Dogma verabschiedet“, konstatierte selbst Ex-Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, der für die ÖVP im Nationalrat sitzt. Sonst hielt sich die ÖVP auffallend zurück. Nur Minister Mahrer ließ sich auf der Regierungsbank blicken.

Konkret sieht die komplexe Regelung zur Gesamtschule so aus: Bundesweit dürfen nur 15 Prozent aller Schulen einer Schulart die Gesamtschule erproben. Außerdem darf eine einzelne Modellregion nicht mehr als 5000 AHS-Unterstufenschüler umfassen.

Damit ist die Gesamtschule rein rechnerisch nur in Vorarlberg und im Burgenland möglich. Doch auch dort wird es nicht einfach. Denn die Lehrer und Eltern dürfen an jedem einzelnen Schulstandort mitentscheiden. Hier haben sich die Grünen noch ein kleines Zugeständnis herausverhandelt.

Dass eine Mehrheit aller Eltern und Lehrer (egal, ob sie zur Wahl gehen) zustimmen muss, wollten die Grünen nicht. Diese Hürde war ihnen zu hoch. Der Kompromiss: Die Lehrer stimmen im Rahmen von Lehrerkonferenzen ab. Diese sind beschlussfähig, wenn zwei Drittel der Pädagogen anwesend sind. Nötig ist dann eine einfache Mehrheit. Bei den Eltern ist es komplizierter: Auch hier muss bei einer Abstimmung die einfache Mehrheit erreicht werden. Nötig ist aber zusätzlich, dass mindestens ein Drittel der insgesamt Abstimmungsberechtigten dafür votiert.

Mehr Freiheit für Direktoren

Die Gesamtschule ist aber gar nicht der eigentliche Teil des Reformpakets. Grundsätzlich geht es um das Autonomiepaket. Dieses soll Schulen mehr Freiheiten bringen. Direktoren sollen etwa flexible Gruppen- und Klassengrößen festlegen und sich Lehrer selbst aussuchen können. Loswerden können sie diese aber weiterhin nicht oder nur schwer.

Die Direktorenbestellung selbst soll vereinheitlicht werden. Außerdem sollen Direktoren künftig mehrere Schulen leiten. Ein sogenannter Clusterleiter soll einem Schulverbund von bis zu acht Schulen vorstehen können. Dabei kann es sich um unterschiedliche Schultypen – von der Volksschule bis zum Gymnasium – handeln.

Auch in der Schulverwaltung bringt das Reformpaket Änderungen. In den Grundzügen bleibt sie zwar gleich. Die Lehrerverwaltung soll allerdings unter einem Dach erfolgen. Dazu werden Bildungsdirektionen geschaffen. Die Transparenz beim derzeit undurchsichtigen Lehrereinsatz soll steigen.

Die Neos ließen sich bei ihrer Sondersitzung von den Verbesserungen der Reform nicht kalmieren: „Nach der Reform muss eindeutig vor der Reform heißen“, lautete das Urteil der Neos-Abgeordnete Claudia Gamon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2017)

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