Die nordafrikanischen Staaten seien weder willens noch in der Lage, für die EU Auffanglager zu unterhalten, sagt der Leiter des Think Tanks "Europäische Stabilitätsinitiative".
Der "Vater" des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals, Gerald Knaus, hat den Plan von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) zur Schließung der Mittelmeerroute für Flüchtlinge als Illusion bezeichnet. "An diesem Plan ist alles unrealistisch", erklärte der Leiter des Think Tanks "Europäische Stabilitätsinitiative" (ESI) in einem Interview mit dem "Standard".
Die nordafrikanischen Staaten seien weder willens noch in der Lage, für die EU die angedachten Auffanglager zu unterhalten. "Man kann nicht so tun, als könnte die EU Leute nach Nordafrika zurückschicken, wenn keines der betroffenen Länder dazu bereit ist - es handelt sich zum Glück um keine Kolonien mehr, die man zwingen könnte", so Knaus. Die Tunesier hätten klipp und klar gesagt, dass nur ihre eigenen Staatsbürger zurücknehmen und keine Lager für die EU unterhalten werden.
Das Land wäre aus Sicht des Migrationsexperten auch gar nicht dazu in der Lage, tausende Menschen, die sich dort in kurzer Zeit sammeln würden, in die Herkunftsländer zurückzuschicken. "Wie aber soll ein nordafrikanischer Staat etwas schaffen, was Ländern wie Deutschland, Österreich oder Schweden nicht gelingt?", so Knaus.
"Ob es nun Kern oder Kurz versprechen: Es wird nicht passieren"
Auch von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) angedachte Zentren in Nordafrika, die auch Asylverfahren durchführen, hält Knaus für unrealistisch. "Ob mit Asylverfahren oder ohne: Für Lager gibt es in Nordafrika keine Partner. Ob es nun Kern oder Kurz versprechen: Es wird nicht passieren", so der Experte.
Auch die von Kurz immer wieder als Vorbild ins Treffen geführte Schließung der Balkanroute relativiert Knaus. Sie habe nur wegen des EU-Türkei-Deals funktioniert, sagt er. "Kämen dort täglich nicht 50, sondern 500 Menschen an, könnten die schwachen Balkanstaaten den Zustrom an den Grenzen nie aufhalten."
Statt mit nordafrikanischen Ländern müsse die EU mit den westafrikanischen Staaten verhandeln, wo die meisten der Betroffenen herkommen, und "darauf drängen, dass diese nach einem Tag X alle ihre Mitbürger, die in Italien ankommen, zurücknehmen", fordert Knaus. Dafür solle die EU ein jährliches Kontingent an Studenten und Arbeitnehmern aufnehmen. "Dann werden sich viel weniger Menschen auf den Weg machen."
(APA)