Eine Besetzung nicht ohne Risiko, aber mit Glamour. Der kantige Kärntner Martin Kusej tritt die Nachfolge Karin Bergmanns an.
Martin Kusej, der kantige Kärntner mit großer Fantasie und Brausekopf, wird Burgtheaterdirektor. Besetzt wird der Posten ab 1. September 2019. Seine wichtigste Pflicht wird sein, das Haus zu füllen: Mit Anspruch bzw. dem Bildungsauftrag folgend. Was Spaß natürlich nicht ausschließt. Zwischen diesen beiden Polen muss ein Prinzipal balancieren. Die Finanzdecke ist dünner geworden, nicht erst seit dem „Burgtheater-Skandal“. Das Ensemble wurde verkleinert, fast halbiert.
Als er das Residenztheater in München übernahm, holzte Kusej radikal das dortige Ensemble ab. Die Burg-Mimen fürchten sich, denn auch wenn Kusej zugesichert hat, nicht alle Kräfte auszutauschen, so geht es doch um die Frage, wer die Hauptrollen spielt. Warum hat sich Kulturminister Thomas Drozda, ein kluger Manager, ein Stratege und SP-Parteisoldat seit frühesten Zeiten, überhaupt für Kusej entschieden? Vielleicht hat es auch politische Gründe.
Politikum Burgtheater
Wenn das traditionell „rote“ Burgtheater sich nach der Wahl in einer schwarzblauen Regierung (herzlos, sparsam, kunstfern, speziell die FPÖ hat diesen Ruf) wieder findet, wird Kusej als Bollwerk gegen Rechts da sein. Wofür der neue Burgchef ästhetisch steht, weiß jeder, der sich einigermaßen für Theater interessiert.
Kusej ist kein Gag-Klitterer des Regietheaters, auch kein Kopfmensch, der so lange Sekundärliteratur liest und mit Dramaturgen konferiert, bis er ein Konzept hat. Er ist vor allem anderen ein Künstler, dünnhäutig und hellsichtig. Er hat Intuition, er geht seinen Weg und hat klare Vorstellungen von der Mechanik der Macht, die sich oft hinter den bezaubernden oder entsetzlichen Liebesgeschichten alter Stücke verbirgt. Wenn Kusej Führungsqualitäten zeigt und Teamwork beherrscht, was er am Residenztheater in München gewiss praktizieren musste, hat er gute Chancen, ein überzeugender Burgchef zu werden.
Neue Ästhetiken gefragt
Eine andere Wahl hat er bei den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen gar nicht, denn wenn die Kasse nicht stimmt, wird er den Geschäftsführer kennen lernen – und das war früher ganz anders, speziell an der Burg, die allerdings finanziell noch immer so großzügig ausgestattet ist, dass sie sich Experimente leisten kann.
Das Burgtheater braucht auf jeden Fall neue Impulse: Abstand vom Regietheater, das der deutschsprachigen Theaterkunst gewiss einen Schub in die Moderne verschaffte, inzwischen aber verbraucht ist. Was kommt nach Stückzertrümmerung, Film, Video oder Popmusik auf der Bühne? Alles das werden wichtige Elemente des neuen Theaters sein, das sich aber nicht in der moralischen Anstalt oder im elfenbeinernen Turm verschanzen darf, sondern mit sinnlichen Geschichten nah an der Zeit, an den Laien, die mitmachen, an der Jugend, die sich auch in hedonistischen Zeiten vor der Sinnsuche nicht drücken kann, auf alle und alles zugeht.
Kusejs Programm in München ist nicht schlecht. Vielleicht schafft er es mit dem Glamour, dem Charisma und seiner langjährigen Erfahrung als Schauspiel-und Opernregisseur das Burgtheater neu aufzustellen. Und die von ihm gern beschimpften Kritiker werden ihm darob nicht gram sein und vielleicht sogar ein Stück des Weges mit ihm gemeinsam gehen.