Der Tod des US–Studenten nach Haft erhöht den Druck auf Trump, gegen Pjöngjang vorzugehen. Doch die Optionen sind begrenzt.
Washington. In einem cremefarbenen Jackett tritt Fred Warmbier vor die Presse, in dem Jackett, das sein Sohn während seines Schauprozesses in Nordkorea trug. „Das Jackett, in dem er sein Geständnis ablegte“, sagt Fred Warmbier. Es ist der 15. Juni, zwei Tage, nachdem der US-Student Otto Warmbier im Wachkoma aus Nordkorea in seine Heimatstadt Wyoming, einem Vorort von Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio, heimgekehrt ist. Auf Ottos Gesicht zeichnet sich großes Leid ab, sagen seine Eltern, doch nach der Ankunft entspannen sich die Züge. Tief im Innern muss der 22-Jährige gemerkt haben, dass er zu Hause ist.
Doch Otto wird nicht mehr wach. Am Montag dieser Woche stirbt der Student, der Ende 2015 während eines Besuches in Nordkorea verhaftet wurde, weil er ein Schild gestohlen haben soll.
Hilflos in Washington
Der Fall Otto Warmbier hat den Umgang mit Nordkorea zum außenpolitischen Topthema in Washington gemacht. Warmbiers Schicksal verstärkt den Druck auf US-Präsident Donald Trump, etwas gegen Nordkorea zu unternehmen. Im Kongress wird der Ruf nach einem Reiseverbot für Amerikaner nach Nordkorea laut. Doch der Fall demonstriert auch die Hilflosigkeit der Regierung. Trump tritt zwar gewohnt großspurig auf, doch seine Administration hat ebenso wenig eine überzeugende Antwort auf die Herausforderung Nordkorea wie die von seinem Vorgänger Barack Obama.
„Viele schlimme Dinge sind passiert“, sagt Trump über Pjöngjang. „Es ist ein brutales Regime“, doch die USA seien in der Lage, damit umzugehen. In Wirklichkeit weiß auch der 45. Präsident der Vereinigten Staaten nicht, wie er Pjöngjang umgehen soll. Die Atomtests der Nordkoreaner und ihre Pläne für Nuklearwaffen, die mit ihrer Reichweite eine direkte Bedrohung für die USA darstellen, bilden ein Problem, das seit dem Amtsantritt des Präsidenten im Jänner immer dringlicher wird.
Doch die Möglichkeiten der Supermacht USA, auf Diktator Kim Jong-un einzuwirken, sind gering. China, der einzige wichtige Partner Nordkoreas, ist zwar zur Zusammenarbeit mit den USA bereit, will aber allzu großen Druck auf Pjöngjang vermeiden: Bei einem Kollaps des Regimes würden wahrscheinlich hunderttausende Flüchtlinge nach China strömen. Zudem stünde die Wiedervereinigung Koreas unter der Führung des mit dem Westen verbündeten Südkorea an – was nicht Beijings Interessen entspricht.
Massiver Sauerstoffmangel
Warmbier war in Nordkorea nach einem nur einstündigen Verfahren zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden. Kurz nach dem Urteil, so stellt sich jetzt heraus, fällt Warmbier ins Koma. US-Ärzte stellten bei ihm später erhebliche Hirnverletzungen fest; abgestorbenes Gewebe wie nach einem Schlaganfall. Das Gehirn muss unter massivem Sauerstoffmangel gelitten haben, wahrscheinlich als Folge eines Herz- und Atemstillstands. Auslöser? Unbekannt.
Ein US-Regierungsvertreter lässt sich mit den Worten zitieren, der Amerikaner sei in Nordkorea verprügelt worden. In Ohio können die Mediziner keine Spuren von Schlägen feststellen, aber auch keine Hinweise auf eine Lebensmittelvergiftung, die laut dem Regime in Pjöngjang den jungen Mann nach Einnahme einer Schlaftablette ins Koma fallen ließ. US-Medien spekulieren, möglicherweise hätten die Nordkoreaner an Otto Warmbier einen biologischen Kampfstoff ausprobiert.
AUF EINEN BLICK
Der US-Student Otto Warmbier hatte Nordkorea mit einer Reisegruppe besucht und war im März 2016 zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden. Er soll ein Propaganda-Plakat gestohlen haben. Vergangene Woche wurde er freigelassen. Bei seiner Rückkehr in die USA lag er im Wachkoma, Ärzte stellten schwere Hirnverletzungen fest. Am Montag ist der 22-Jährige gestorben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2017)