Wie Internet-Trolle die Kommunikation stören

Jan Hinrik-Schmidt, Medienforscher des Hans-Bredow-Instituts in Hamburg.
Jan Hinrik-Schmidt, Medienforscher des Hans-Bredow-Instituts in Hamburg.(c) Privat
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Trolle sind scheue Wesen. Sie brüllen im Internet in Großbuchstaben und sind wie vom Erdboden verschluckt, wenn man sie nach ihrem echten Namen fragt. Was bringt Menschen dazu, sich im Netz destruktiv auszulassen?

Was unterscheidet Pöbler im Internet, Trolle genannt, von berechtigter Kritik?

Jan Hinrik-Schmidt: Gute Frage. Schließlich muss man nicht alles toll finden, was im Internet steht. Das Entscheidende ist, ob Verständigungsorientierung hinter der Kommunikation steht. Wenn eine Person interessiert ist, andere von ihrer Meinung zu überzeugen, auch wenn sie dies auf polemische Art und Weise versucht, wenn es im Kern aber um Austausch geht, dann ist es kein Troll.

Welches Ziel verfolgen Trolle?

Sie wollen, dass das Gewässer kippt, in dem sie schwimmen. Wenn man sich Kommunikationsforen anschaut, reicht es oft schon, wenn einige wenige Trolle mit Wortmeldungen Diskussionsforen stören. Das bewirkt, dass sich andere gar nicht mehr zu Wort melden, weil sie das Gefühl haben: „Was ist denn hier los? Hier wird ja ganz komisch geredet. Wenn ich mich hier einbringe, verschwende ich nur Zeit.“ Und auf einmal, zack, ist die Debatte abgewürgt, obwohl vielleicht andere Interesse daran gehabt hätten. Aber das wollen die Trolle, dass sich die Vernünftigen nicht mehr zu Wort melden. Öffentlicher Austausch sollte verständigungsorientiert, demokratisch und auf konstruktive Teilhabe ausgerichtet sein. Menschen sollten sich idealerweise zu Themen, die sie interessieren, austauschen und versuchen, sich zu verständigen. Trolle destabilisieren diese Räume des Austauschs. Im Fall von strategisch gesteuerter Aktivität kann ein Interesse darin liegen, dass das Vertrauen in das Internet als Ort der Debatte ausgehöhlt wird. Oder in Kommentarbereiche von Medien. Ein weiteres Motiv kann sein, dem politischen Gegner eins auswischen zu wollen.

Was sind das für Menschen, die sich da auslassen?

Oft sind es solche, die ein Sendungsbewusstsein oder eine tiefsitzende politische Überzeugung haben – und ganz viel Zeit. Man stellt sich oft Pensionisten oder Arbeitssuchende vor, die zu Themen oder Parteien im Internet überall hingehen und in gewisser Weise wahllos ihre Haltung und ihre Ansichten in den Äther senden. Ohne darauf zu achten, ob ihre Einträge zu dem Artikel passen oder zu den Kommentaren, die vorher da waren. Die meisten würden sich nicht als Trolle verstehen. Sie würden sagen: „Ich bringe mich ein, ich bin ein aktiver Bürger.“

Wie könnte deren Bekämpfung aussehen?

Für Trolle ist es meist besonders anregend, wenn ihnen Leute widersprechen, sich die Sache hochschaukelt. Deswegen kam man zu dem Schluss: „Don't feed the troll.“ Also: „Füttere den Troll nicht, geh gar nicht erst auf ihn ein.“ Wenn wir es mit Trollen zu tun haben, die provozieren wollen, fühlen sie sich dann angestachelt und haben im Zweifel auch den längeren Atem. Sie leben von der Aufmerksamkeit. Sie ihnen zu nehmen, ist oft die größte Strafe. Das Problematische ist aber, dass es in Foren auch wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass es so etwas gibt wie eine Nettikette – bestimmte Hausregeln, was den Tonfall angeht. Als Administrator eines Forums ist es wichtig, sich einzuschalten, wenn Diskussionen aus dem Ruder laufen, weil Trolle sich eingemischt haben. Es ist die Aufgabe des Administrators, Kommentare zu löschen und an seiner statt hinzuschreiben: „Dieser Eintrag wurde gelöscht, weil unnötig provoziert wurde.“ Zum Beispiel. Das ist die andere Variante des Umgangs, die zugleich die positiven Werte einer Diskussion bekräftigt und zumindest ein Mindestmaß an Höflichkeit in der Kommunikation einfordert. Auf diese Art geht man inhaltlich nicht auf den Kommentar ein, sagt aber: „So wollen wir hier nicht diskutieren.“ Die Normüberschreitung wird sichtbar gemacht und andere können sich orientieren.

Sind Trolle im echten Leben auch so destruktiv?

Im echten Leben haben wir gelernt, dass es Regeln des menschlichen Miteinanders gibt. Im Internet finden wir eine andere Situation vor, weil wir nicht von Angesicht zu Angesicht kommunizieren. Viele glauben, dass das eben mal so Dahingeschriebene keine Konsequenzen hat.

Ist so ein Troll nicht unglaublich feig?

Das ist eine zweischneidige Sache. Weil die Anonymität auch dafür sorgt, dass manche sich trauen, bestimmte Sachen zu sagen, solche, die sie beschäftigen, und die sie sich im realen Leben nicht auszusprechen trauen, weil es um bestimmte Stigmata geht. Um sexuelle Orientierung zum Beispiel oder Krankheit. Pseudoanonymität oder Anonymität im Netz ist nicht immer negativ.

Serie: #RESPEKT

Die Serie #RESPEKT ist eine Zusammenarbeit der „Presse“ mit den Bundesländerzeitungen „Kleine Zeitung“, „Oberösterreichische Nachrichten“, „Salzburger Nachrichten“, „Tiroler Tageszeitung“ und „Vorarlberger Nachrichten“. Analysen und Interviews widmen sich den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Kommunikation. Dabei werden Themenbereiche wie Hass im Netz, Desinformation sowie Fake News erschlossen.

diepresse.com/respekt

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2017)

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