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Ein Puch ohne Siegel

Puch-Roller
Puch-RollerKarl Gruber / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0
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Serie Der in den 1950er und 1960er Jahren gebaute zweisitzige Puch-Roller war so aufgebaut, dass man ihn verstehen konnte: offen und ehrlich.

Wer sich heute in die Technik auch nur eines einfachen Motorrollers vertiefen will, steht vor einem Buch mit sieben Siegeln: viel Elektronik, auf engstem Raum verbaut, ohne fachkundige Anleitung vielleicht nicht einmal zugänglich. Beim Puch-Roller war das anders, ein Puch ohne Siegel quasi. Der in den 1950er und 1960er Jahren gebaute zweisitzige Roller mit anfangs 125-, dann auch 150-Kubikzentimeter-Zweitaktmotor war so aufgebaut, dass man ihn verstehen konnte: offen und ehrlich.

Zum Teil musste man ihn auch verstehen, wollte man ihn benützen. So fein es war, mit dem Gefährt aus österreichischer Produktion dahinzufahren: Es hatte seine Eigenheiten. Die Zündkerze etwa neigte zum Verrussen. Man erklärte es sich damit, dass der Auspuff in gewisser Weise eine Fehlkonstruktion war: zwar elegant in die Hinterradschwinge integriert, dafür aber wenig leistungsfähig und sehr mühsam zu reinigen. Jedenfalls musste man stets bereit sein, die Zündkerze auszubauen und zu reinigen – wenn nicht gleich durch eine vorsorglich mitgeführte Neue zu ersetzen.

Das ging aber ganz einfach. Obwohl die Karosserie schlank, ja zierlich aufgebaut war – vor allem im Vergleich zum breiten Hinterteil der italienischen Vespa –, bot sie hinter einem der kleinen Türchen Stauraum für das Bordwerkzeug. Mit einem Schraubenschlüssel löste man zwei hakenförmige Verschlüsse links und rechts unten am Trittbrett, sodass man die Haube über Motor und Hinterbau hochklappen und mittels Stützstange arretieren konnte. Schon hatte man freien Zugang auch zur Zündkerze.

Mit sonorem Knattern jagte der Motor ein bläuliches Wölkchen aus dem Auspuff

Sowie die wieder einsatzfähig war, begann das Vergnügen. Benzinhahn öffnen, kurz am Vergaser tupfen, damit etwas Benzin einströmte, und ein paarmal kräftig in den Kickstarter treten. Bis der Motor mit sonorem Knattern ein bläuliches Wölkchen aus dem Auspuff jagte, wie es heute mit Recht verpönt ist. Es kam vom Öl, das man bei der Tankstelle mit einer speziellen Handpumpe ins Benzin gemischt hatte und das beim Betrieb zwangsläufig mitverbrannt wurde.

Nun denn: Mit der linken Hand die Kupplung ziehen, aus dem Handgelenk heraus den ersten von drei Gängen einlegen, was mit einem vernehmlichen Knacken im Getriebe quittiert wird, und los geht’s. Man sitzt bequem auf einem breiten Einzelsitz, hinten abgestützt mit zwei Spiralfedern. Das Gleiche wiederholt sich auf dem Soziussitz, wobei der oder die Mitfahrende sich an einem gummierten, ringförmigen Handgriff zwischen den beiden Sitzen festhalten kann.

Übertrieben schnell konnte man freilich nicht fahren: Der kleinere Motor schaffte maximal 75 km/h, die 150-Kubikzentimeter-Version gerade einmal zehn Stundenkilometer mehr. Dafür waren die Triebwerke sehr genügsam: Man kam mühelos mit 2,5 Liter auf hundert Kilometer aus. Eine Tankuhr oder eine Warnleuchte, die auf die nahende Ebbe im Tank hingewiesen hätte, gab es noch nicht. Und doch war es unmöglich, dass man unbemerkt die Reserve antastete: Denn dazu musste man den Benzinhahn eigens in eine andere Position drehen. Nachdem man ein zweites Türchen in der Karosserie geöffnet hatte.

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