„Tatort“-Wiederholung: Die wundersame Wiederkehr des Fabian Hinrichs

(c) ORF (Olaf Tiedje)
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Am Sonntag wird "Der Himmel ist ein Platz auf Erden" wiederholt: Der exzellente Charakterdarsteller Fabian Hinrichs übernimmt darin die Leitung der Mordkommission Franken und brilliert, auch mit trockenem Humor.

Solche Aufregung über einen Neuen beim „Tatort“ hat es seit Götz George nicht gegeben. Doch während der einst mit Fäkalsprache und fliegenden Fäusten für Gesprächsstoff sorgte, war Fabian Hinrichs Figur des Gisbert Engelhardt das genaue Gegenteil von Schimanski: ein nervöser Typ, der die Kollegen in München mit seinem Fingertrommeln nervte; ein unsicherer Antiheld, der sich vor Ekel ankotzte, ein Ermittler ohne Spürsinn für den persönlichen Umgang mit seinen Mitmenschen.

Und noch etwas: Am Ende seines ersten „Tatort“-Auftritts („Der tiefe Schlaf“, 2012) war Hinrichs alias Gisbert tot. Die Fangemeinde war geschockt: Tausende traten der Facebook-Gruppe „Wir wollen Gisbert Engelhardt zurück“ bei, auf YouTube kursierte ein Video: „The Best of Gisbert – R. I. P.“. Nun konnten selbst die findigsten Autoren Gisbert nicht auferstehen lassen – also kehrt Hinrichs in einer neuen Rolle zum „Tatort“ zurück: Am Sonntag debütiert er als Hauptkommissar Felix Voss in der ersten Franken-Ausgabe „Der Himmel ist ein Platz auf Erden“.

Nur mit einem kleinen Köfferchen kommt Voss in Nürnberg an. Noch bevor er seine neue Wohnung beziehen kann, liegt eine Leiche im Wald – was der mit leisem Wahnwitz ausgestattete Kollege Schatz (Matthias Egersdörfer) mit einem trockenen „Ja, ja, das Waldsterben“ kommentiert. Voss ist kein Sonderling wie Gisbert einer war, sondern ein einnehmender, selbstbewusster, laut Personalakte „sehr feinnerviger“ Ermittler – aber auch er ist nicht so leicht durchschaubar, wie es scheint. Wenn es ernst wird, legt er die Stirn in tiefe Sorgenfalten, und wenn es brenzlig wird, versucht er auch das Leben eines Täters zu schützen. Dieser Mann ist kein Brachialbulle wie Til Schweigers schießwütiger Nick Tschiller. Er ist kein Schläger wie Schimanski. Er will auch nicht so cool sein wie die Cops aus den US-Serien. Voss ist ein kluger Kopf mit maßvoll exzessiver Vergangenheit und einem Hauch Geheimniskrämerei.

Unnahbar im Film wie privat

Eine Charakterrolle, wie geschaffen für Heinrichs, der diesem Voss eine vielschichtige, unnahbare Persönlichkeit verpasst – wie sie auch ihm selbst attestiert wird. Er sei stets „ungreifbar“ und dabei „ganz und gar nicht harmlos“, beschrieb Nina Hoss den Kollegen in ihrer Laudatio, als er 2012 den Alfred-Kerr-Preis für seine Darstellung des Ich-Erzählers in René Polleschs Stück „Kill your Darlings! Streets of Berladelphia“ erhielt (zu sehen noch am 22. April und 7. und 29. Mai an der Volksbühne Berlin). Aber Voss ist kein so brüchiges Nervenbündel wie Gisbert. Das kann er auch nicht sein. Als Kommissar hätte Gisbert mit seiner verzweifelten Energie nicht getaugt – weshalb er sterben musste. Nun übernimmt Voss die Leitung der Mordkommission Franken. Er hat eine gewinnende Art, lässt sich aber privat nicht in die Karten schauen: „Sie sehen ein bisschen nach Küste aus“, orakelt seine Kollegin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel), deren Herkunft aus Guben an der polnischen Grenze als Aufhänger für ein wenig Ossie-Wessie-Polemik dient.

Im ersten „Tatort“-Franken-Fall graben sich Voss und Ringelhahn tief in die Zerklüftungen einer nur noch nach außen hin heilen Ehe. Es ist ein Psycho-Spiel um Fehltritte, Waffengeschäfte und narzisstische Obsessionen. Statt Action gibt's ein französisches Chanson, dessen schmeichelnde Melodie ins Bedrohliche kippt, wenn das trügerische Idyll des Eigenheims hinter dem Grün der Hecken hervortritt wie die Wahrheit, die ein Unbestechlicher wie Voss unerbittlich ausgräbt. Und das Opfer? „Er war, um mal was Nettes zu sagen, ein richtiges Arschloch.“

Im TV: „Tatort: Der Himmel ist ein Platz auf Erden“ (erstmals ausgestrahlt am 12. 4.2015) läuft am Sonntag, 25. 6., um 20.15 Uhr auf ORF 2.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2015)

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