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Donaumonarchie: Ein Staat von 51 Jahren

Ausgleich 1867: Der Dualismus mit Ungarn verärgerte die Slawen nachhaltig.
Ausgleich 1867: Der Dualismus mit Ungarn verärgerte die Slawen nachhaltig.(c) Grenville Collins P. / Mary Evans/picturedesk.com
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Nach der gescheiterten Revolution der Ausgleich: Vor 150 Jahren entstand der Staat Österreich-Ungarn. Dessen Fundament war von Anfang an ein brüchiges.

In Budapest sind die Habsburger heute fast noch präsenter als in Wien. Nach Erszébet (Elisabeth) sind ein Platz und eine Brücke benannt. Es gibt den Franz-Joseph-Ring, der dann wiederum in einen Elisabeth-Ring übergeht. Nach Maria Christina, der Tochter von Maria Theresia, ist nicht nur eine Straße, sondern auch ein Stadtteil (Krisztinaváros) benannt, nach ihrem Bruder, dem dann regierenden Joseph II., ebenso. Und auch der Name des Fußballvereins Ferencváros Budapest leitet sich von einem Habsburger ab. Ferencváros heißt übersetzt Franzstadt – benannt nach Franz I,. dem ersten österreichischen Kaiser, der als römisch-deutscher Kaiser Franz II. abgedankt hat.

Vor 150 Jahren ist der Staat Österreich-Ungarn entstanden. Er sollte nur 51 Jahre Bestand haben. Der Zusammenbruch des Habsburger-Reiches nach dem Ende des Ersten Weltkrieges sollte diese beiden Länder dann nachhaltig trennen, deren Geschichte die Jahrhunderte zuvor so eng verwoben war. Die Grundlage für den Staat Österreich-Ungarn war der sogenannte Ausgleich 1867. Es war eine Realunion der beiden Staatsteile Cisleithanien (die österreichischen Länder) und Transleithanien (die Ungarn unterstehenden Landesteile). So gehörte der Großteil des heutigen Kroatien etwa zu Transleithanien, Istrien und Dalmatien jedoch waren Teil von Cisleithanien.

Franz Joseph I. war Kaiser von Österreich und als I. Ferenc Joszéf König von Ungarn (magyar kiraly), gekrönt am 8. Juni 1867 in Budapest. Die ungarische Regierung wurde von Graf Gyula Andrássy gebildet – auch er hat heute eine große Straße in Budapest. Die beiden Länder agierten in innenpolitischen Belangen fortan autonom. Gemeinsam verwaltet wurden nur das Außenministerium, das Kriegsministerium sowie jener Teil des Finanzministeriums, der der Finanzierung von Militär und Außenpolitik diente. Und es gab einen gemeinsamen Obersten Gerichtshof – der allerdings wiederum nur für die Kontrolle der oben genannten Ministerien zuständig war. Auch die Währung blieb dieselbe.

Niederlage bei Königgrätz 1866

Vorangegangen war dem Ausgleich die verheerende Niederlage Österreichs gegen Preußen in Königgrätz 1866. Eine deutsche Einigung unter Einbeziehung Österreichs war damit endgültig vom Tisch. Die Auflösung der Monarchie stand ebenso im Raum wie die Furcht vor einer Dominanz der slawischen Bevölkerung auf ungarischer Seite. Deswegen waren die Ungarn später auch nicht allzu begeistert, als 1908 Bosnien-Herzegowina annektiert wurde.

So verständigten sich die Österreicher unter Ministerpräsident Friedrich Ferdinand von Beust und die Ungarn, angeführt von Ferenc Deak, 1867 auf den historischen Kompromiss einer Doppelmonarchie. Unter dem umsichtigen Deak setzte sich bei den Ungarn die Erkenntnis durch, dass sie mit Österreich ökonomisch, militärisch und politisch wesentlich besser fahren denn als auf sich allein gestellter Staat. Auch im Hinblick auf Russland. Und dank des Ausgleichs konnten sie in ihrer Reichshälfte endlich auch über Siebenbürgen herrschen.

Die negative Folge dieses österreichisch-ungarischen Dualismus war absehbar: Die anderen Minderheiten, vor allem die große Gruppe der Slawen in der Monarchie, fühlten sich erst recht benachteiligt. Denn ihnen blieb die Gleichberechtigung, die Ungarn nun bekam, vorenthalten. Die Nationalitätenkonflikte innerhalb des neuen Staates sollten sich dann zusehends verschärfen und auch zu dessen Ende beitragen.

Wiewohl Historiker aus dem angelsächsischen Raum wie Pieter Judson – etwa in seinem vor Kurzem erschienenen Buch „Habsburg – Geschichte eines Imperiums“ – mit Verweis auf historische Quellen ein differenzierteres Bild zeichnen: Die Kämpfe der Nationalisten im Parlament seien zum Teil reine Show gewesen, in der Bevölkerung selbst sei Zweisprachigkeit kein großes Problem gewesen. Vor allem die Nachfolgestaaten hätten nach dem Zerfall der Habsburger-Monarchie dann ein Interesse daran gehabt, diese als „Völkerkerker“ darzustellen, um selbst besser dazustehen.

Der britische Autor Simon Winder nennt Österreich-Ungarn in seinem Buch „Danubia. A Personal History of Habsburg Europe“ eine Erfolgsgeschichte wider Erwarten: „Eine politische Einheit, einst eine Pluralität von Erblanden der Familie, die, durch Zufall zusammengefügt, im Laufe der Zeit zu einer Militärmaschinerie und zur Bastion des Katholizismus geworden war, wurde in ihren letzten Dekaden in gewissem Maße automatisch zu einer Insel, wenn nicht der Toleranz, so doch der relativen Zurückhaltung.“ Nachsatz: Sehr zum wachsenden Ärger vieler ihrer Einwohner allerdings. Denn der Nationalismus war natürlich da – und nahm auch merklich zu. Auch wenn Kaiser Franz Joseph diesen zu unterdrücken versuchte.

Nationalistischer wurden auch die Ungarn – die Magyarisierung bekamen die Slowaken, Rumänen und Kroaten auf ihrem Reichsgebiet zu spüren. Spannungen gab es auch mit Österreich, denn die Ungarn verdächtigten den Partner – mitunter nicht ganz zu Unrecht –, den Ausgleich wieder untergraben zu wollen. Und das nationale Lager in Österreich sah seine Zukunft ohnehin nach wie vor in Deutschland.

Lajos Kossuth gegen Ferdinand I.

Die Geschichte mit Österreich und Ungarn hätte allerdings schon früher anders ausgehen können. Wenn die Revolution von 1848 geglückt wäre. Nicht nur in Wien erhoben sich die Bürger gegen den autokratischen, aber führungsschwachen Kaiser Ferdinand I., auch die Ungarn unter Lajos Kossuth taten es – hier war auch ein Großteil des Adels unter den Revolutionären. Das Ziel war der liberale Nationalstaat. Inspiriert von der 1848er-Revolution in Frankreich und von Italien, das unter Giuseppe Garibaldi ebenfalls die nationale Einheit abseits von Habsburg anstrebte. Letztlich setzte sich das Herrscherhaus mit Unterstützung der ihm treu gebliebenen Kroaten, die einen ungarischen Nationalstaat mehr fürchteten als die österreichische Monarchie, aber durch. Dennoch gibt es heute in Budapest selbstverständlich auch einen Kossuth-Platz und eine Garibaldi-Straße.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2017)

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