60 brandgefährdete Hochhäuser in Großbritannien entdeckt

Der Brand von vor zwei Wochen soll sich nicht wiederholen.
Der Brand von vor zwei Wochen soll sich nicht wiederholen. imago/Bettina Strenske
  • Drucken

Bei einem Sicherheitstest sind 60 Hochhäuser in Großbritannien durchgefallen. Tausende Menschen müssen ihre Wohnungen verlassen.

Der verheerende Hochhausbrand in London vor knapp zwei Wochen entwickelt sich zu einem landesweiten Bauskandal. Experten entdeckten nach neuen Zahlen vom Sonntagabend mindestens 60 Hochhäuser, die bei Sicherheitstests durchfielen. Das teilte das zuständige Ministerium mit.

Betroffen sind nicht nur Gebäude in London, sondern etwa auch in Manchester, Plymouth, Portsmouth und Norwich. Insgesamt sollen bei 600 Hochhäusern die Fassadenverkleidungen untersucht werden. Nicht alle Gebäude würden evakuiert, betonte der für Kommunen zuständige Minister Sajid Javid.

Am Freitagabend mussten bereits rund 4.000 Menschen vier Hochhäuser im Norden Londons wegen Brandgefahr räumen. Die Feuerwehr hatte in den 22-stöckigen Gebäuden im Stadtteil Camden eine ganze Reihe von Sicherheitsmängeln festgestellt: unter anderem brennbare Fassaden, Fehler bei der Isolierung von Gasleitungen und das Fehlen von Brandschutztüren.

Die Arbeiten an den geräumten Gebäuden werden drei bis vier Wochen dauern, wie Georgia Gould vom Bezirksrat sagte. Etwa 650 Wohnungen sind den Angaben zufolge betroffen. Der Hochhaus-Komplex ist von 2006 bis 2009 von derselben Firma saniert worden wie der am 14. Juni ausgebrannte Grenfell Tower. Das Feuer dort konnte sich über die Fassadenverkleidung binnen kürzester Zeit stark ausbreiten.

"Ich habe für so etwas nicht mehr die Kraft"

Die Betroffenen verbrachten die ersten beiden Nächte in Notunterkünften, Hotels oder bei Freunden. Mehr als 80 Bewohner weigerten sich allerdings zunächst, ihre Wohnungen zu verlassen. Die meisten von ihnen räumten dann am Sonntag ihre Bleibe.

In Interviews kritisierten Bewohner die Evakuierung als Überreaktion. Vor allem Senioren fiel der schnelle Aufbruch schwer. Ein 94-Jähriger berichtete Journalisten, dass er nicht ausreichend Tabletten mit sich genommen habe. "Ich habe für so etwas nicht mehr die Kraft." Eine Seniorin verbrachte die erste Nacht sitzend auf einem Stuhl.

Londons Bürgermeister Sadiq Khan verteidigte die Maßnahme. "Man kann doch nicht russisches Roulette mit der Sicherheit von Menschen spielen", sagte er dem Sender Sky News am Sonntag.

Theresa May in der Pflicht zu reagieren

Nach Ansicht von Labour-Chef Jeremy Corbyn sollte Premierministerin Theresa May eine Krisensitzung einberufen. Nur so könnten Maßnahmen gegen mangelhaften Brandschutz besser koordiniert werden. Es handle sich um eine "landesweite Bedrohung", warnte Corbyn.

Ein defekter Kühlschrank hatte das Feuer im Grenfell Tower entfacht. Der Brand griff auf den ganzen 24-stöckigen Sozialbau über. Mindestens 79 Menschen kamen ums Leben. Fünf Verletzte lagen am Sonntag noch im Krankenhaus. Die Ermittler erwägen eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung. Man prüfe alle Firmen, die am Bau und an der Sanierung des Hochhauses beteiligt gewesen seien, hieß es.

(APA/DPA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Weltjournal

Zahl der Toten nach Grenfell-Katastrophe steigt

Mindestens 80 Menschen sind bei dem Brand in einem Londoner Hochhaus gestorben. Die deutsche Feuerwehr fordert nun Konsequenzen. Wien denkt keine Maßnahmen an.
In Großbritannien dürften über 600 Gebäude betroffen sein, wie auch der Bray Tower in London. Auch im deutschen Wuppertal kam der Dämmstoff zum Einsatz.
Weltjournal

Dämmung á la Grenfell: Hochhaus in Wuppertal geräumt

Weil ein Haus in Deutschland eine Fassadendämmung ähnlich wie jene des abgebrannten Grenfell Towers in London hat, wurde das Gebäude evakuiert.
Brandruine mitten in London. Der Schock nach dem verheerenden Unglück im Grenfell Tower sitzt tief.
Weltjournal

Hochhausbrand in London: Arge Mängel in Sozialbauten

Die Überprüfung von Hochhäusern offenbart eklatante Brandschutzmängel. Fünf Gebäude wurden geräumt.
Auch der Burnham Tower wurde aus Sicherheitsgründen evakuiert.
Weltjournal

Versicherer warnten kurz vor Londoner Hochhausbrand

Die britische Regierung wurde offenbar schon vor dem verheerenden Brand im Londoner Grenfell Tower darüber informiert, dass das Dämm-Material an den Außenfassaden die Ausbreitung eines Feuers beschleunigen könnte.
Weltjournal

London evakuiert fünf Hochhäuser wegen Brandgefahr

800 Wohnungen in der britischen Hauptstadt werden nach der Grenfell-Katastrophe aus Sicherheitsgründen geräumt. Ein Benefizsong für die Opfer knackt einen Jahrzehnterekord.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.