May: „Wir wollen, dass Sie bleiben“

Theresa May sicherte sich gestern, Montag, die Parlamentsmehrheit und lud EU-Bürger zum Verbleib ein.
Theresa May sicherte sich gestern, Montag, die Parlamentsmehrheit und lud EU-Bürger zum Verbleib ein.(c) REUTERS
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Die britische Premierministerin stellte Details zur künftigen Rechtsstellung aller eingewanderter EU-Bürger vor. Sie versprach viel, will aber keine EU-Gerichtsbarkeit akzeptieren.

London. Völlig unverdrossen hat die britische Regierung auf die teilweise heftige Kritik an ihren Vorstellungen über die künftige Rechtsstellung von EU-Ausländern nach dem Brexit reagiert. „Niemand wird wegen unseres Austritts aus der EU das Land verlassen müssen“, sagte die britische Premierministerin, Theresa May, gestern, Montag, vor dem Unterhaus. „Wir wollen, dass Sie bleiben.“ May bekräftigte, dass EU-Bürger „dieselben Rechte in Bezug auf Wahl des Wohnsitzes, dieselben Arbeitnehmerrechte und den gleichen Zugang zu Krankenversorgung, Sozialleistungen und Pensionen erhalten“ sollen.

Voraussetzung für den Erwerb des sogenannten settled status (geregelter Zustand) ist, dass man sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Land aufgehalten hat. Wer weniger als fünf Jahre in Großbritannien lebt, erhält von einem noch festzulegenden Stichtag an eine Frist von zwei Jahren, in der er sich entweder für den Verbleib in Großbritannien anmelden oder sich zur Rückkehr in die Heimat entschließen kann. Das Datum werde „Verhandlungssache“ sein, sagte May, in jedem Fall zwischen dem Auslösen des Brexit am 29. März 2017 und dem Verlassen der EU am 29. März 2019 liegen.

Ausdrücklich betonte May, dass Großbritannien keine sozialen Härten verursachen wolle: „Keine Familie soll getrennt werden“, und für Familienangehörige soll ein uneingeschränktes Recht auf Nachzug bestehen. Übergangsfristen sollten Härtefälle auffangen. Die bürokratischen Hürden und die Registrierung soll vereinfacht werden.

Hier aber könnte es sich weiterhin spießen. Denn während die EU-Kommission darauf besteht, dass der Europäische Gerichtshofs (EuGH) das letzte Wort über die rund 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien hat, will die britische Regierung ihr Land nicht länger diesem EU-Gericht unterstellt wissen. „Beide Seiten nehmen hier eine Position ein, die aus der eigenen Logik absolut verständlich ist. Aber vereinbar sind sie nicht“, sagt der Politikprofessor Anand Menon zur „Presse“.

Eine Einigung scheint aber nicht unmöglich. Die britischen Vorstellungen sind offenbar auf längere Übergangsfristen bei kritischen Themen ausgerichtet. Und auch beim Streitthema EuGH will man eine Brücke bauen. „Wir werden beim Handel und in anderen Fragen Vereinbarungen treffen, die eine Einsetzung von Schiedsgerichten vorsehen wird. Nicht der EuGH allein, „sondern gemeinsam vereinbarte Gremien“ sollen Streitfälle klären, sagte Brexit-Minister David Davis zuletzt. „Es ist durchaus möglich, dass wir in dieser Frage (Recht von EU–Bürgern, Anm.) eine ähnliche Lösung finden.“

Pakt mit Nordirland-Partei fix

Ausweisungen von „gesetzeskonform“ lebenden Europäern will Großbritannien nach Angaben der Regierung nicht vornehmen. Dafür sollen Kriminelle aus EU-Ländern künftig schneller deportiert werden. Derzeit leben rund 13.000 ausländische Straftäter in Großbritannien, und die Liste der Delinquenten führen die beiden EU-Staaten Polen und Irland an.

Neben Zugeständnissen an die EU-Bürger in Großbritannien machte die britische Regierung auch den rund 1,2 Millionen Briten in der EU Hoffnung. So kündigte die Premierministerin an, die Regierung werde weiter in die europäische Krankenversicherung einzahlen. Auch die Anpassung der Pensionen an britische Entwicklungen soll weitergeführt werden.

May erschien vor dem Unterhaus mit einer Vereinbarung, die sie eben erst mit der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP) geschlossen hatte. Darin verspricht die DUP die Unterstützung einer konservativen Minderheitsregierung. Eine formelle Koalition wollten beide Seiten ausdrücklich nicht, selbst aus den eigenen Reihen musste sich May heftige Kritik gefallen lassen. „Dieser Pakt ist nicht im nationalen Interesse“, wetterte auch Oppositionsführer Jeremy Corbyn. Vielleicht aber in jenem der nordirischen Protestanten: Gerüchten zufolge ließen sie sich die Unterstützung mit Versprechungen in Milliardenhöhe abgelten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2017)

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