Leidenschaftsloses Abwägen von Argumenten zählt nicht mehr. Es wich der Sensibilität derer, die Meinungshoheit ergatterten und für sich beanspruchen.
Peter Sloterdijk unterscheidet in seinem jüngsten Essay „Nach Gott“ trefflich zwischen der Moderne und dem Mittelalter: „Als modern bezeichnen wir eine Gesellschaft, wenn sie einen Pluralismus von Inspirationsquellen zugesteht – sagen wir: einen Konfessionen-Markt. Auf ihm können sich Menschen begegnen, die sich für Verschiedenes begeistern und von Verschiedenem inspiriert werden; ,mittelalterlich‘ nennen wir eine Kultur, die sich durch einen Monismus der Inspiration definiert; in ihr besitzt ,das Eine, das not tut,‘ ein Monopol darauf, als Quelle legitimer Enthusiasmen zu wirken.“
So betrachtet erfahren wir unsere derzeitige Epoche als die eines neuen Mittelalters: In geradezu gespenstischer Weise verengt sich das einst weite Feld des Denkens auf einen immer schmaler werdenden Pfad, begrenzt von mit Stacheldraht besticktem Geländer, das jeden Schritt abseits gnadenlos bestraft.