Tribunal: Größter Teil der Adriabucht von Piran gehört Slowenien

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Ein internationales Tribunal in Den Haag hat den Schiedsspruch im Grenzstreit zwischen Kroatien und Slowenien verkündet. Ljubljana bekommt auch einen Korridor zu internationalen Gewässern. Zagreb will das Urteil nicht anerkennen.

Der größte Teil der umstrittenen Adriabucht von Piran gehört Slowenien. Das urteilte ein von Zagreb und Ljubljana vor acht Jahren eingesetztes Tribunal am Donnerstag in Den Haag. Slowenien wird demnach auch ein Korridor zu internationalen Gewässern eingeräumt. Doch Kroatien will das Urteil nicht anerkennen, wie die Regierung am Donnerstag noch einmal bestätigte. Beobachter fürchten eine Eskalation des Streits.

Kroatien habe keinerlei Verpflichtung, den Inhalt des Schiedsurteils umzusetzen, sagte Ministerpräsident Andrej Plenkovic am Donnerstag in Zagreb. Er rief Slowenien auf, "keine einseitigen Schritte zu setzen". "Kroatien hat Möglichkeiten, sein Staatsgebiet und seine Interessen zu verteidigen."

Sloweniens Ministerpräsident Miro Cerar wertete die Entscheidung des Haager Tribunals dagegen als "historischen Augenblick für Slowenien". Der Spruch sei "endgültig und für beide Staaten verbindlich", betonte er nach Angaben der Nachrichtenagentur STA.

Der frühere französische IGH-Richter Gilbert Guillaume zeigte bei der Verkündung des Schiedsspruchs am Donnerstag die neue Seegrenze auf einer Karte, berichtete die STA. Bei der Landgrenze gab es keine Überraschungen. Das fünfköpfige Tribunal erklärte in den meisten Streitpunkten die Katastergrenzen für maßgeblich. So wurde auch der bisher von Slowenien kontrollierte Berggipfel Trdinov vrh (kroatisch: Sveta Gera) Kroatien zugesprochen.

Streit seit der Unabhängigkeit

Die Landgrenze auf der Halbinsel Istrien folgt laut dem Schiedsspruch dem Dragonja-Fluss und endet in der Mitte des Sveti-Odorik-Kanals. Dies bedeutet, dass die Dörfer Skodelin, Buzini and Mlini-Skrilje bei Kroatien bleiben. Dies ist eine schlechte Nachricht für den slowenischen Grenzrebellen Josko Joras, der in einem der Weiler lebt und sich jahrelang Scharmützel mit den kroatischen Behörden lieferte.

Hinsichtlich des kroatischen Begehrens, klarzustellen, dass slowenische Militäreinrichtungen von kroatischem Territorium entfernt werden müssen, erklärte sich das Tribunal für nicht kompetent.

Die beiden früheren jugoslawischen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien streiten seit ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1991 um den Grenzverlauf, der im gemeinsamen Staat nicht bis ins letzte Detail festgelegt war. Größter Zankapfel ist die Adriabucht von Piran, die Slowenien zur Gänze beansprucht. Ljubljana ist vor allem an einem eigenen Zugang zu internationalen Gewässern gelegen.

Wien: "Entscheidender Schritt" zur Lösung des Konflikts

Das Außenministerium in Wien erklärte am Donnerstag, Österreich sehe den Schiedsspruch als "entscheidenden Schritt" bei der Lösung des Grenzkonflikts zwischen den beiden Nachbarstaaten. "Wir haben das Schiedsverfahren zwischen Slowenien und Kroatien immer als zweckmäßige Regelung angesehen."

Anders als die deutsche Regierung ruft das Außenministerium die beiden Parteien aber nicht explizit dazu auf, den Schiedsspruch umzusetzen. "Wir rufen beide Parteien auf, den Schiedsspruch als entscheidenden Schritt zu einer endgültigen Beilegung ihrer Streitigkeiten zu sehen."

Im Jahr 2008 hatte der Konflikt in einer mehrmonatigen Blockade der EU-Beitrittsverhandlungen Kroatiens durch Slowenien gegipfelt. Unter EU-Vermittlung wurde im November 2009 das Schiedsverfahren vereinbart.

Die beiden Länder verpflichteten sich damals in einem bilateralen Abkommen, einem fünfköpfigen Tribunal die Entscheidung über den Grenzverlauf zu überlassen. Drei Tribunalsmitglieder wurden auf EU-Vorschlag ernannt, Slowenien und Kroatien stellten je einen weiteren Schiedsrichter. Kroatien trat im Juli 2013 der EU bei, ein Jahr später nahm das Schiedsgericht seine Arbeit auf.

Kroatiens Ausstieg aus dem Verfahren

Im Juli 2015 nutzte Zagreb das Fehlverhalten des slowenischen Richters Jernej Sekolec, der sich unerlaubt mit Ljubljana abgesprochen hatte, um aus dem Verfahren auszusteigen. Sekolec trat umgehend zurück und wurde durch einen internationalen Richter ersetzt. Das Tribunal setzte seine Arbeit nach monatelangen Beratungen über die Affäre fort. Zagreb zeigte sich unbeeindruckt und hielt an seinem Ausstieg fest.

In den vergangenen Tagen herrschte vor allem in Slowenien große Nervosität, hoffte das Zwei-Millionen-Land doch auf einen günstigen Schiedsspruch. Mit der EU-Vetokarte in der Hand hatte Ljubljana nämlich das Mandat des Tribunals zu seinen Gunsten beeinflussen können. So wurde den Schiedsrichtern aufgetragen, den Zugang Sloweniens zu internationalen Gewässern zu bestimmen, obwohl dieser von Zagreb bestritten wird.

"D-Day im Grenzstreit. Die Weltöffentlichkeit blickt nach Den Haag", lautete am gestrigen Mittwoch die Spitzenmeldung in den Hauptnachrichten des größten slowenischen Fernsehsenders POP TV. Der slowenische Außenminister Karl Erjavec wollte bei der Verlesung des Urteils durch den Tribunalsvorsitzenden, Gilbert Guillaume, im Haager Friedenspalast anwesend sein. In Ljubljana sollte parallel dazu hinter verschlossenen Türen der außenpolitische Ausschuss des Parlaments in Anwesenheit von Ministerpräsident Miro Cerar tagen.

Slowenien will zunächst unstrittige Punkte umsetzen

Slowenien war der Schiedsspruch bereits am Donnerstagvormittag zugestellt worden; Kroatien verweigerte dessen Annahme.

Cerar hatte am Wochenende klar gemacht, dass Slowenien den Schiedsspruch umsetzen werde. Man habe diesbezüglich "mehrere Szenarien" ausgearbeitet. Am Mittwoch teilte die Regierung in Ljubljana mit, dass die von Grenzkorrekturen betroffenen Bürger vom Staat entschädigt werden sollen. "Weniger als 100 Menschen" sollen es sein, deren Besitz wegen des Schiedsspruches zu kroatischem Staatsgebiet werden könnte.

Erjavec hat klar gemacht, dass Slowenien zunächst einmal nur die "unstrittigen Punkte" des Schiedsspruch realisieren werde. Damit versuchte er Befürchtungen zu zerstreuen, dass es möglicherweise sogar zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Slowenien und Kroatien kommen könnte. Laut dem Schiedsabkommen haben Ljubljana und Zagreb sechs Monate Zeit, dem Inhalt des Haager Richterspruchs zu entsprechen.

Lenkt Kroatien doch noch ein?

In Zagreb bemühte man sich indes, den Schiedsspruch zu ignorieren. Außenministerin Marija Pejcinovic Buric sagte, dass die kroatische Botschaft in Den Haag den Text nicht entgegen nehmen werde. Auch bei der Verkündung des Urteils werde kein kroatischer Diplomat im Haager Friedenspalast anwesend sein. Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic und Ministerpräsident Andrej Plenkovic hatten in den vergangenen Tagen mehrfach bekräftigt, dass das Verfahren für Kroatien nicht mehr existiere. Grabar-Kitarovic fügte hinzu, dass ihr Land eine Umsetzung des Schiedsspruch nicht erlauben werde.

Der slowenische Vizepremier Dejan Zidan äußerte jedoch am Mittwoch die Erwartung, dass Kroatien letztlich einlenken werde. Ljubljana baut darauf, dass die EU-Partner auch wegen der Vorbildwirkung für die Staaten des Westbalkan auf eine Befolgung des internationalen Schiedsspruchs pochen werden.

Aus kroatischen Diplomatenkreisen verlautete, dass die USA sowie "einige EU-Länder wie Polen oder Litauen" die Haltung Zagrebs unterstützten. Tatsächlich sprach sich der US-Botschafter in Slowenien, Brent Hartley, dafür aus, dass Ljubljana und Zagreb eine bilaterale Lösung finde sollen. Washington unterstütze zwar das Völkerrecht, doch sei dieses "manchmal kompliziert", sagte Hartley.

Die Presse Grafik

(APA)

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