Die SPÖ stimmte im Nationalrat für die Homosexuellenehe, die von der ÖVP und der Mehrheit abgelehnt wurde. Und in Finanzfragen tauschte die Koalition Sticheleien aus.
Wien. Die Opposition hat ihre Freude mit dem nun geltenden freien Spiel der Kräfte im Nationalrat. Könnten nun doch auch Gesetze abseits der rot-schwarzen Majorität beschlossen werden. Aber im Gegensatz zum Mittwoch, als mit Stimmen der SPÖ ein höheres Uni-Budget beschlossen wurde, blieb zwei prominenten Anliegen am Donnerstag die Mehrheit versagt.
So hatten die Neos einen Antrag auf die Abschaffung der kalten Progression bei Steuern gestellt und gehofft, dass ÖVP und FPÖ mitgehen. Dem war nicht so. Dafür war die SPÖ mit an Bord, als zusammen mit Grünen und Neos ein Fristsetzungsantrag zur Homosexuellenehe eingebracht wurde. Dieser war darauf ausgerichtet, dass im Parlament bis spätestens 19. September über die Ausweitung der Ehe auf gleichgeschlechtliche Paare abgestimmt werden muss.
Doch auch diesem Antrag blieb die Mehrheit versagt, da Rot-Grün-Pink im Nationalrat nur über 84 Mandate verfügen, mindestens 92 aber für eine Mehrheit nötig sind.
ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker erklärte zuvor das Nein ihrer Fraktion damit, dass die Diskriminierung Homosexueller abgebaut und die Frage der Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare beim Verfassungsgerichtshof anhängig sei. „Machen wir keine leeren Kilometer“, meinte sie. Für FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kommt die Einführung der Homosexuellenehe gar nicht infrage: „Sie könnten genauso gut die Polygamie einführen“, warnte er. „Und dann sind wir bald bei der Kommune von Otto Mühl“, so Strache, der „das linke Gesellschaftsmodell“ an den Pranger stellte.
„Sie sind homophob“, sagte Grünenklubchef Albert Steinhauser zu Strache. Steinhauser erklärte, das Eherecht in geltender Form zwar für antiquiert zu halten. Aber solange es in dieser Form existiere, müsse es auch allen Paaren offenstehen. Neos-Vizeklubchef Nikolaus Scherak brachte die Volksabstimmung im katholischen Irland aufs Tapet, um zu betonen, dass es selbst in konservativen Ländern eine Mehrheit der Bürger für die Homosexuellenehe gebe. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder appellierte an die Gegner des Antrags: „Die Ehe für alle nimmt niemandem auch nur irgendetwas weg!“
Wer macht höhere Schulden?
Trotz konträrer Ansichten zum Eherecht griffen sich SPÖ und ÖVP in dieser Debatte nicht offensiv gegenseitig an. Dass der Haussegen schief hängt, hatte sich aber schon zuvor bei einer Finanzdebatte gezeigt. SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer kritisierte ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling, der kürzlich den Schuldenstand Wiens gerügt hatte. Das rote Wien habe in hundert Jahren weniger Schulden gemacht als der Bund in einem Jahr, meinte Krainer zu Schelling. „Sie wollen jemandem Nachhilfe geben, das ist doch lächerlich.“
ÖVP-Mann Andreas Zakostelsky erwiderte, Krainers Angriff sei nur durch die guten Umfragewerte für die Volkspartei zu erklären.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2017)