Recruiting ist kein Traumberuf

Personalmanagement. Recruiting steuert das Unternehmen auf subtile Weise mit. Und trotzdem ist es für die wenigsten das deklarierte Berufsziel. Das sollte Unternehmen zu denken geben.

Auf ihren Visitenkarten stehen Funktionsbezeichnungen wie „HR Recruiter“, „Talenteförderung“, „Personalentwickler“ oder „Talent Aquisition“. Gemeinsam ist ihnen, dass alle – auch – für Recruiting zuständig sind. Und damit eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für ihr Unternehmen haben. Recruiter sind die Visitenkarten eines Unternehmens, weil sie meist die ersten sind, mit denen Bewerber zu tun haben. Und sie sind die Türhüter, die darüber entscheiden, wer einen Fuß über die Schwelle setzen darf.

„Das Besondere an diesem Beruf ist, dass man Unternehmen mitsteuert, oft auf subtile Weise“, sagte eine Interviewte im Rahmen der Studie „Recruiting im Wandel“, die als Kooperationsprojekt der Expedition.R von HR Relations, Personaleum.at, Comrecon Brand Navigation und Smart Organisations durchgeführt wurde. Die Studienergebnisse zur Situation der Recruiter sind teils überraschend:

► Zufall. Recruiting ist kein Traumberuf, die meisten wachsen in die Rolle hinein. Ein Drittel hat im Studium eine dahingehende Ausbildung erhalten, ein Fünftel spezielle Ausbildungen absolviert, und 70 Prozent haben sich ihre Kompetenz via Learning by Doing erarbeitet. Ernüchternder Kommentar einer Interviewten: „Die Grundlagen des Recruitings lernt man, indem man viel rekrutiert.“ Das klingt nach einem selbstreferenziellen System.

► Lebenslauf und Bauchgefühl. Für 90 Prozent der Recruiter ist der Lebenslauf die wichtigste Entscheidungsgrundlage. Darüber hinaus entscheidet das Bauchgefühl über Zu- und Absage. Das sieht Co-Autorin Claudia Lorber von HR Relations kritisch: „Die Bewerber sind keine Profis im Bewerbungschreiben. Das Risiko ist groß, dass sie wichtige Dinge nicht erwähnen.“

Überhaupt verlaufe Recruiting oft sehr „vergangenheitsorientiert“: Stellenausschreibungen führten Fähig- und Fertigkeiten an, die in der Vergangenheit notwendig waren, aber oft den Blick in die Zukunft vermissen lassen. Und noch etwas moniert Lorber: „Bewerbungsprozesse nach dem Prinzip One size fits all sind nicht zeitgemäß.“ Das gelte besonders für Stellen, für die es sehr schwierig ist, überhaupt Bewerber zu finden. Webentwickler und Programmierer, die stark nachgefragt sind, weigerten sich beispielsweise oft, ein Motivationsschreiben zu verfassen. Sie sagen: Dass ich mich überhaupt auf ein Recruiting einlasse, zeigt meine Motivation deutlich.

► Relevanz. Employer Branding und Social Media liegen in der aktuellen Relevanz für das Recruiting weit vor Big Data. Das „How to“ scheint aktuell im Vordergrund zu stehen. So sind Interviewtechniken für knapp die Hälfte relevant, Eignungsdiagnostik als deren Grundlage aber nur für ein gutes Drittel. Das, sagt Lorber, spiegle, was in diversen Ausbildungen unterrichtet werde: In erster Linie die Gesprächsführung, nicht hingegen, welche Methoden es brauche, damit Kandidat und Unternehmen überhaupt zusammenfinden.

► Technik und Medien. Gutes Recruiting muss in Zukunft noch besser auf der Medienklaviatur spielen können. Dazu fehlt es vielen noch an Kompetenzen und manchen auch an der Bereitschaft. Ein gutes Drittel zeigt sich Neuerungen auf dem Markt gegenüber aufgeschlossen und experimentiert damit. Ein weiteres Drittel wartet allgemeine Erfahrungen ab und springt dann auf. Allerdings hat ein Drittel der Befragten kein Interesse an Innovationen und arbeitet lieber mit bestehenden Instrumenten weiter.

Noch ein Fazit: Recruiter werden künftig noch genauer darauf achten müssen, wen sie für die Stelle eines Recruiters rekrutieren.

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