"Meistertaktikerin" Merkel

APA/AFP
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Kommentar Die deutsche Kanzlerin gab das Votum für die "Ehe für alle" frei, stimmte selbst aber dagegen. Ein Signal an alle Seiten: Sie machte es allen recht.

Es war wie so oft bei Angela Merkel: Das kontroversielle Thema "Ehe für alle" war in Berlin jahrelang auf dem Tapet - und wurde von der großen Koalition auf die lange Bank geschoben. Umso blitzartiger ging es dann aber am Ende zu. Bei der letzten Sitzung vor der Sommerpause beschloss der Bundestag frühmorgens mit großer Mehrheit die Gleichstellung von Homosexuellen bei der Ehe - mit den Stimmen von SPD, Grünen, den Linken, sowie der wohlwollenden Zustimmung der FDP, derzeit noch in der außerparlamentarischen Opposition, jedoch auf dem Sprung zurück ins Parlament. Sie knüpften daran eine Koalitionsbedingung. Auch ein Viertel der Unionsfraktion, darunter Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, votierte für die Liberalisierung - nicht aber die Kanzlerin selbst.

Merkel hatte die Abstimmung als Gewissensfrage freigegeben und damit ein Signal für Liberalität und Offenheit gesetzt. Schließlich sind mehr als 80 Prozent der Deutschen für eine Gleichstellung - eine Mehrheit, die vor Jahren noch undenkbar schien. Wie schon bei der Abschaffung der Wehrpflicht und der Nutzung der Atomkraft, zwei "heiligen Kühen" der Konservativen, kam der Sinneswandel Merkels unversehens, beinahe beiläufig und über Nacht. Eigentlich wollte sie sich die Zustimmung bei den Koalitionsverhandlungen im Herbst teuer abkaufen lassen und eine gesellschaftliche Debatte auslösen. Nun trickste sie der Koalitionspartner SPD mit einer Überrumpelungstaktik wie bereits bei der Kür des Bundespräsidenten aus und setzte die Abstimmung umgehend auf die Tagesordnung.


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