2006 unterlag Martin Kusej noch gegen Matthias Hartmann bei der Bestellung der Burg-Spitze. Bei der Präsentation nannte er die Burgtheater-Ära unter Claus Peymann als Vorbild.
Martin Kusej übernimmt mit 1. September 2019 das Wiener Burgtheater. Nachdem der derzeitige Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels 2006 noch gegen Matthias Hartmann bei der Bestellung der Burg-Spitze unterlag, ernannte Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) den 56-Jährigen nun zum Nachfolger von Karin Bergmann, die nicht mehr antrat.
Das politische Engagement des österreichischen Nationaltheaters dürfte somit in der Zukunft wieder an Bedeutung gewinnen. "Es ist an der Zeit, wieder politisch zu werden", gab Kusej bei seiner Präsentation in Wien die Stoßrichtung für die größte Sprechbühne des deutschsprachigen Theaters vor - und nannte die Burg-Ära unter Claus Peymann oder die Berliner Volksbühne unter Frank Castorf als Vorbilder: "Ich stehe für Veränderung, Irritation und Aufregung." Zugleich könne er aber auch diplomatisch sein, beruhigte der gebürtige Kärntner "Ich bin nicht so schlecht wie mein Ruf."
Auf der Bühne müsse jedenfalls das Analoge im Vordergrund stehen, als bewusste Abgrenzung im digitalen Zeitalter. "Dem Liveerlebnis muss die Aufmerksamkeit geschenkt werden. Im Zentrum steht der Schauspieler", gab Kusej, der auch eine Inszenierung pro Saison selbst vorlegen will, ein klares Bekenntnis zum Ensembletheater ab. Ungeachtet dessen müsse das Burgtheater internationalisiert und die Realität einer multikulturellen Gesellschaft anerkannt werden.
Zugleich überraschte der als österreichkritisch bekannte Kärntner Slowene mit einem patriotischen Anflug: "Ich kann nicht anders, ich bin halt Österreicher. Und deshalb ist es ein besonderer Job, Burgtheater-Direktor zu werden."
Als kaufmännischer Geschäftsführer an seiner Seite wird auch über 2018 hinaus Thomas Königstorfer verbleiben. Der 50-Jährige, der das Burgtheater nach dem Finanzskandal rund um die einstige kaufmännische Geschäftsführerin Silvia Stantejsky und den künstlerischen Leiter Matthias Hartmann gemeinsam mit Karin Bergmann wieder in ruhigeres Fahrwasser gelenkt hatte, setzte sich bei der Anfang Juni abgelaufenen Ausschreibungen für seinen Posten gegen die fünf Konkurrenten durch. Der neue Vertrag läuft demnach bis 2023.
Die finanzielle Stabilität nach den turbulenten Jahren sei ein Eckpfeiler auch der künstlerischen Arbeit, versicherte Kusej, sich auch beim Gehalt keineswegs bereichern zu wollen: "Wenn es Skandale am Burgtheater mit mir in der Zukunft gibt, dann höchsten auf der Bühne."
Worte, die in den Ohren von Kulturminister Drozda geklungen haben dürften, zeigte sich er sich doch von seiner Wahl voll und ganz überzeugt: "Ich schätze Martin Kusej seiner ästhetischen Vision, seiner kritischen Reflexion und seinen klaren Haltungen wegen." In das positive Echo stimmte auch die Kulturschaffenden und Kulturpolitiker ein. Während die Kultursprecher von FPÖ bis Grüne die Kusej-Kür begrüßten, erwartet Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek heiße Zeiten an der Burg: "Früher hätte man gesagt: Der Mann hat Feuer." Und Jungautor Ferdinand Schmalz rückte die Kompetenz Kusejs im heimischen Fach hervor: "Er steht schon für eine österreichische Tradition. Er hat schon bisher einen ganz eigenen Blickwinkel auf österreichische Traditionsstücke geworfen."
Robert Reinagl, Künstlerischer Betriebsrat am Burgtheater, hat gegenüber der APA angesichts der hohen Anforderungen, die Kusej an seine Mitarbeiter stellt, keine Angst vor Konflikten mit dem Betriebsrat: "Ob wir streiten werden? Da bin ich mir sogar sicher. Das geht nicht anders. Das ist aber kein Problem. Das ist ein Beruf, der mit hoher Energie betrieben wird. Es heißt ja: 'Theaterdonner'. Das heißt aber auch, wir bringen einander nicht wirklich um..." Und Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) freute sich, dass Kusej nun vom jahrelangen Wiedergänger endlich zum permanenten Heimkehrer werde.
(APA)