Einsturz eines Blendwerks

Ex-Verteidigungsminister Jung hat sich und Deutschland einen schlechten Dienst erwiesen, als er den Afghanistan-Krieg „schönredete“.

Franz Josef Jung, der frühere deutsche Verteidigungsminister, hat seine ganze Amtszeit hindurch sich selbst und die deutsche Öffentlichkeit angeschwindelt. Aus welchen lauteren Motiven auch immer hat er beharrlich abgestritten, dass sich die deutsche Bundeswehr in Afghanistan in einem Kriegseinsatz befinde. Selbst, als zuletzt den deutschen Soldaten im einstmals ziemlich befriedeten Nordafghanistan die (Taliban-)Kugeln nur so um die Ohren flogen, sprach der Hesse noch immer von einem „Stabilisierungseinsatz“.

Vermutlich aus dieser Selbsttäuschung heraus haben Jung und seine Militärspitze die Wahrheit über die Bombardierung zweier von den Taliban entführter Tanklastwagen auf Anordnung eines Bundeswehrobersts zurückgehalten. Denn wenn die Deutschen eh nur zur „Stabilisierung“ in Afghanistan sind, dann können sie doch nicht für den Tod Dutzender Zivilisten verantwortlich sein.

Es war überfällig, dass der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bald nach seinem Amtsantritt die Dinge beim Namen nannte: „In Afghanistan herrschen kriegsähnliche Zustände.“ Was denn auch sonst? Also musste das von seinem Vorgänger aufgebaute, gehegte und gepflegte Blendwerk früher oder später einstürzen. Mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen: Die jetzigen Enthüllungen drohen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr noch mehr zu diskreditieren. Und der jetzige Arbeitsminister Jung könnte aus dem Kabinett purzeln. (Bericht: Seite 6)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2009)

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