Österreichs Autoren bei dem Literaturwettbewerb sind heuer eine bunte Truppe: Ein Ex-Jugendmeister in Tennis gehört ebenso dazu wie – na ja, fast – ein Mann aus Buffalo.
Wie verheißungsvoll war das doch im ersten Jahr des Bachmann-Wettlesens, als gleich ein Österreicher den Preis bekam. Das war 1977, und der Gewinner hieß Gert Jonke. Es passte auch in eine Zeit, in der die Österreicher in der deutschsprachigen Literatur Höhenflieger waren. Nach Jonke dauerte es allerdings 17 Jahre, bis wieder ein Österreicher an der Reihe war.
Heute, Mittwoch, starten die 41. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt. Kann einer der vier – oder sollen wir sagen, fünf? – österreichischen Autoren die Jury von sich überzeugen? Aufmerksamkeit verdienen diese Bewerber allemal:
John Wray. Beginnen wir mit dem Fünften, bei dem man „österreichischer Autor“ doch unter Anführungszeichen setzen muss. Er heißt John Henderson, als Schriftsteller John Wray und hat das Zeug zum Publikumsliebling. Der 45-Jährige ist in der Stadt Buffalo aufgewachsen, lebt heute in Brooklyn, hat aber eine Kärntner Mutter und verbringt viel Zeit in der pittoresken Familienvilla in Friesach. Dennoch ist man in Österreich erstaunlich spät auf ihn aufmerksam geworden. Ist einer nicht präsent in der hiesigen Literaturszene, veröffentlicht er in einem US-Verlag – und sei dieser auch einer der renommiertesten Amerikas, wie in diesem Fall „Farrar Straus and Giroux“ –, wird er leicht ignoriert. Im Unterschied zum halb österreichischen, halb deutschen Daniel Kehlmann kommt bei Wray noch dazu, dass er stets auf Englisch publizierte. Er experimentiere mit Schreiben auf Deutsch, vertraute er erst voriges Jahr der „Presse“ an. Nun tritt er auch endlich – in Klagenfurt – mit einem deutschen Text auf. Ausufernd, fabulierfreudig und unterhaltsam dürfte das werden, wie sein jüngster Roman.
„The Lost Time Accidents“ – auf Deutsch „Das Geheimnis der verlorenen Zeit“ – handelt vom Urenkel eines Znaimer Gewürzgurkenbauers, der in New York in einer Blase angehaltener Zeit sitzt, bis er seine (weitgehend) österreichische Familiengeschichte erforscht hat. Dabei spielt Wray mit k. und k. Geschichte an Orten von Znaim bis Wien. Seine Freude am Erfinden sei außerhalb der Literatur sogar zum Problem geworden, erzählte er der „Presse“. Als er ein paar Mal für die „New York Times“ Artikel geschrieben habe, habe er sich „extrem beherrschen“ müssen, denn „die Verlockung ist so groß, etwas zu erfinden, damit es schöner wird“. Konkurrenzkampf zwischen Autoren liegt Wray an sich nicht, aber eine andere wichtige Eigenschaft bringt er als Kandidat für den Bachmann-Bewerb mit: Er verträgt, ja, liebt es, von Kritikern seiner Texte „das Schlimmste zu hören“. Dass es in US-Verlagen zugehe „wie in Cheering-Sessions“, stört ihn sehr. Wray bevorzugt die lehrreichere Ehrlichkeit. Darauf wird er in Klagenfurt nicht lange warten müssen.
Verena Dürr. Literarisch der größte Gegensatz zu John Wray, dem Schreiber praller Roman-„Schinken“, ist unter den österreichischen Teilnehmern am Bachmann-Wettbewerb wohl die 34-jährige Wienerin Verena Dürr. Auf ihrer Website venerasinn.com (sie tritt auch unter diesem Künstlernamen auf) nennt sie sich „interdisziplinäre Autorin, Experimentalmusikerin, Performancekünstlerin und Küchenhilfe“. Sie liebt die kleine Form, verbindet Poesie und elektronische Musik und bildet gemeinsam mit Ulla Rauter das Poesiepop-Duo „Bis eine Heult“. Die Lieder der beiden können wir nur empfehlen – wundervoll etwa der so monotone wie eindringliche Song „Abwesen“ (auch auf ihrer Website zu hören), in dem die Jahreszeiten vor einem abwesenden Ich vergehen: „Die erste Blüte springt, schöne Menschen schwimmen aus, und die Pollen sind ihre Kreise. Die Vögel auch . . . Doch ich hör sie nicht, weil ich nicht hier bin unter dem Baum. Ein Frühling ohne mich . . .“