Grenzschutz: Doskozil will "eindeutige Signale nach Brüssel senden"

Grenzkontrollen
Grenzkontrollen APA/dpa/Patrick Seeger
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Das Heer sei zum Assistenzeinsatz am Brenner bereit, sagt der Verteidigungsminister. Bevorzugen würde er ein europäisches Vorgehen, damit sich das "Flüchtlingsjahr 2015" nicht wiederholt. Rom bittet Österreichs Botschafter zum Gespräch.

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) will die europäische Gemeinschaft wachrütteln. Sollten die Zahlen der ankommenden Flüchtlinge weiter zunehmen und keine EU-weite Maßnahme gesetzt werden, würde Österreich jedenfalls wieder Grenzkontrollen zu Italien einführen. Die Österreicher würden sich erwarten, dass man gerüstet sei. „Denn, eines ist für uns klar, das Jahr 2015 darf sich in dieser Dimension und in dieser Art und Weise nicht wiederholen“, betonte der Ressortchef am Dienstag im Ö1-„Mittagsjournal“. Freilich sei der Umstand, ob Grenzkontrollen eingeführt werden, eine Entscheidung des Innenministeriums, räumte Doskozil ein. Man sei aber jedenfalls gerüstet: „Wir haben bis zu 750 Soldaten relativ rasch verfügbar, um hier auch in den Assistenzeinsatz zu gehen und wir haben natürlich auch entsprechendes Gerät.“

Es bedürfe aber nicht nur „eindeutiger Signale nach Italien, sondern auch eindeutiger Signale nach Brüssel“, meinte der Verteidigungsminister und verwies darauf, dass man seit mehr als einem Jahr verschiedenste Maßnahmen vorgelegt habe, darunter einen Vier-Punkte-Plan, wie man der Situation Herr werden könnte. Aber: „Es sind keine Schritte gesetzt worden, es ist auf dieser Ebene fast nichts passiert.“ Genau das seien die Gründe dafür, warum nun einzelne Staaten wieder eigene Aktionen setzen würden: „Und das ist, glaube ich, nur richtig, was wir machen.“

"Nicht zulassen, dass jeder Staat für sich Maßnahmen setzt"

Weiters geht der Minister davon aus, dass andere Länder nachziehen werden, sollte sich die Situation zuspitzen: „Es gibt überall Grenzkontrollen und ich gehe davon aus, dass, wenn wir zur Entscheidung kommen, Grenzkontrollen zu Italien machen müssen, dann wird auch Deutschland zu Österreich Grenzkontrollen machen.“ Und man wisse aus der Vergangenheit, dass Deutschland diese Kontrollen sehr stringent durchgeführt habe.

Allerdings: Bevorzugen würde er ein grenzübergreifendes Vorgehen. Brüssel müsse von den Ereignissen des Jahres 2015 doch wachgerüttelt worden sein, mutmaßte Doskozil. Ziel sei, dass „wir alle gemeinsam an den Lösungen arbeiten – wir dürfen nicht zulassen, dass wieder jeder Staat für sich Maßnahmen setzt, sondern hier muss man gemeinsam an einem Strang ziehen". Dass das Einziehen von Grenzkontrollen unsolidarisch sei, ließ Doskozil im ORF-Radio nicht gelten: Die Zahlen an aufgenommenen Flüchtlingen in Österreich würden belegen, wie solidarisch die Republik in der Vergangenheit gehandelt habe.

EU-Kommission nicht über Grenzkontrollen informiert

Italien hat nach den Vorbereitungen des Verteidigungsministeriums bereits reagiert: Das italienische Außenministerium hat den österreichischen Botschafter in Rom, René Pollitzer, zu einem Gespräch gebeten, wie aus einer Presseaussendung des Außenministeriums in Rom hervorgeht. Rom reagiert besorgt auf die Aktivierung der Grenzkontrollen am Brenner. "Europa war dabei, sich zu erholen. Ist es möglich, dass Frankreich, Spanien und Österreich sich nicht über die Schäden im Klaren sind, die sie anrichten?", fragte Italiens Ex-Premier Enrico Letta.

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, wollte sich am Dienstag nicht zu dem Plan Österreichs äußern. Der Vorschlag wurde nicht an die Brüsseler Behörde gemeldet wurde. Das Vorhaben müsse aber nach den Schengen-Regeln notifiziert werden. "Wenn Österreich etwas tun will, muss es die Kommission verständigen. Dann werden wir reagieren. Wir können nicht auf Kommentare in der Presse reagieren, ohne dass es zu einer Notifizierung gekommen ist", so Timmermans

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verlangte am Dienstag indes „unverzügliche" Maßnahmen, um auf einen „Flüchtlingsansturm" von Italien aus vorbereitet zu sein. Sofortige Grenzkontrollen vor allem am Brenner seien das Gebot der Stunde. Das „Asylchaos" in Italien werde ein massives Problem für Österreich werden, meinte Strache. Gerade Tirol werde davon besonders betroffen sein. Daher müsse bereits jetzt gehandelt werden. Die grüne Migrationssprecherin Alev Korun kritisierte hingegen die Pläne für Grenzkontrollen: "Wer statt diesen nachhaltigen Maßnahmen Panzer an die Grenze stellt - und mit diesen in letzter Konsequenz auf geflüchtete Menschen und Migranten zielt - der will keine nachhaltige Lösung, sondern nur durch Schlagzeilen punkten", schrieb sie in einer Aussendung.

>>> Doskozil im Ö1-„Mittagsjournal“

(Red./APA)

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