Arsenal-Wohnungen zu billig verkauft - BIG dementiert

Arsenal, Wien, Immobilien  Foto: Clemens Fabry
Arsenal, Wien, Immobilien Foto: Clemens Fabry(c) (Clemens Fabry)
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Im Jahr 2003 verkaufte der Staat Wohnungen im Wiener Arsenal um 32 Mio. Euro - viel zu billig, wie ein Gutachten ergibt. Buwog-Erinnerungen: Im Aufsichtsrat saß Karl Plech, Walter Meischberger lobbyierte.

Der Verkauf von 3.900 Wohnungen der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) an ein Konsortium rund um den Anwalt Rudolf Fries im Jahr 2003 erinnert an die Buwog-Affäre. Wieder geht es um Wohnungen im Staatsbesitz, wieder war das siegreiche Gebot um Haaresbreite besser als die Konkurrenz und auch hier trat Walter Meischberger, der Trauzeuge von Ex-Finanzminister Karl Heinz Grasser, als Lobbyist auf. Im Dezember 2003 erhielt ein Konsortium rund um den Badener Rechtsanwalt und Investor Rudolf Fries und den Fruchtsafthersteller Walter Scherb um 145,05 Mio. Euro den Zuschlag für ein Wohnungspaket des Bundes. Der Verkaufserlös floss in Form einer Sonderdividende ans Finanzministerium.

Verkauf deutlich unter Wert

Wie das "Format" berichtet, soll der Verkauf viel zu billig erfolgt sein. Im BIG-Paket enthalten war unter anderem die 72.000 Quadratmeter große Wohnanlage Arsenal in Wien-Landstraße, dessen Wert nun Angelpunkt ist. Das Arsenal soll beim Verkauf vor sechs Jahren mehr als 74 Mio. Euro wert gewesen sein, die Republik verlangte aber nur 32 Mio. Euro. Der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser soll sich also allein beim Arsenal mehr als 40 Mio. Euro Verkaufserlös für die Staatskasse durch die Lappen gehen haben lassen.

"Völlig unrealistisch"

Für die Bewertung der Wohnanlage Arsenal engagierte BIG-Boss Christoph Stadlhuber damals gemeinsam mit seinem damaligen Kollegen Hartwig Chromy den Wiener Immobiliensachverständigen Michael Reinberg. Der errechnete den Angaben zufolge einen Wert von 43,9 Mio. Euro. Abzüglich der von Fries wenige Monate nach Zuschlagserteilung weiterverkauften Arsenal-Objekte 12 und 15 ergaben sich rund 32 Mio. Euro, heißt es im Bericht. "Dieser Wert ist völlig unrealistisch", schreibt der Gerichtssachverständige Heinrich Oberressl laut "Format" in einem "Schätzungsgutachten vom 31. August 2009", das er im Auftrag von Staatsanwalt Norbert Haslhofer in der Immofinanz-Affäre erstellte.

Der Wert wurde damals so errechnet:

  • Grundpreis 250 Euro pro Quadratmeter
  • Minus 35 Prozent Abschlag
  • Plus diverse Zuschläge
  • ergibt 165 Euro pro Quadratmeter

Das Gutachten kritisiert auch, dass das Entwicklungspotenzial durch Dachbodenausbau außer Acht gelassen wurde.

Doppelter Wert in sechs Jahren?

Für Oberressl ist das Arsenal den Angaben zufolge heute mehr als 74 Mio. Euro wert und wurde von Reinberg "weit unter dem tatsächlichen Wert" taxiert. In dem Gutachten heißt es: "Die Frage, wie die bewerteten Liegenschaften in nicht einmal zwei Jahren ihren Wert von 32 Mio. Euro auf 74 Mio. Euro erhöht haben können, ist so zu beantworten, dass der Wert von 32 Mio. Euro unter der Hälfte des tatsächlichen Wertes gelegen ist."

Rätselhafte Rolle von Karl Plech

Aufklärungsbedürftig ist laut "Format" die Rolle des Wiener Immobilienmaklers Ernst Karl Plech. Dem Bericht zufolge soll er als BIG-Vizepräsident mehrere Versuche gestartet haben, den Verkauf zu beeinflussen. Besonders eingesetzt soll er sich für die holländische Van-Herk-Gruppe haben, die neben der Immofinanz AG, dem Fries-Konsortium DRF und dem Tiroler Investor Benko in der letzten Runde der Bieterschlacht übrig blieb. Für den niederländischen Fonds soll wiederum der Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger lobbyiert haben. Meischberger soll beim Verkauf der BIG-Wohnungen aber nichts verdient haben, weil die Van-Herk-Gruppe nicht zum Zug kam.

Alle Bewertungen mit gängigen Methoden

Die Vorwürfe werden von der BIG und Michael Reinberg, einem der damalige Sachverständigen, zurückgewiesen. Das Arsenal sei mit 43,9 Mio. Euro "richtig bewertet" worden, betonte Reinberg am Freitag in einer Aussendung.

2003 habe es keine genehmigten Zufahrtswege gegeben, und im Paket seien "viele denkmalgeschützte Objekte mit erhöhten Instandhaltungsaufwendungen und sogar ertragslose Sonderimmobilien wie eine Kirche" enthalten gewesen, so Reinberg.

Wohnungen sanierungsbedürftig

Bei den Wohnungen sei "ein unterdurchschnittlicher Erhaltungszustand" festgestellt worden. Die Gutachten hätten aber potenzielle Dachbodenausbauten berücksichtigt - "sofern technisch möglich, wirtschaftlich sinnvoll und rechtlich zulässig". Die ermittelten Bodenwerte resultieren laut Reinberg aus der damals aktuellen Flächenwidmung und den Bebauungsbestimmungen. Ein Großteil der Liegenschaft sei 2003 als Parkschutzgebiet gewidmet gewesen.

Wert nach sechs Jahren nicht vergleichbar

Zwischen den Gutachten seien sechs Jahre vergangen und die Rahmenbedingungen seien "nicht vergleichbar". Der Zentralbahnhof, der sich in unmittelbarer Nähe befindet, sei mittlerweile in Bau und auch die Höhe der zwischen 2003 und 2009 getätigten Investitionen sei unbekannt. Ebenfalls unbekannt sei die aktuelle Ertragssituation der Häuser. Der von Oberressl ermittelte Verkehrswert ist für Reinberg "nicht nachvollziehbar". Die Behauptung, das Arsenal wäre falsch bewertet worden, entbehre jeder Grundlage. Reinberg kündigte an, gegen Oberressl rechtliche Schritte einzuleiten.

BIG: Artikel ohne Grundlage

Die BIG sieht die Sache ähnlich: Der "Format"-Artikel sei "ohne Grundlage", hieß es am Freitag in einer Aussendung. Die Bewertung sei auf "Basis gängiger Methoden" erstellt worden. Die BIG wehrt sich auch gegen die Behauptung, dass die Umstände des Verkaufs an das Konsortium DRF rund um Investor Rudolf Fries jenen des Buwog-Skandals ähnlich gewesen seien. Alle Verkaufsverfahren seien "klar definiert und folgen höchster Transparenz", so die BIG.

Mit dem von Oberressl ermittelten Arsenal-Schätzwert lösen sich im übrigen auch Untreue-Verdachtsmomente der Staatsanwaltschaft gegen die Constantia Privatbank auf - Stichwort "Strafsache Petrikovics". Ursprünglich hatte die Anklagebehörde nämlich vermutet, die Bank könnte dem Badener Anwalt Rudolf Fries das Areal zu teuer abgekauft haben, das dieser mit einem Konsortium 2003 dem Bund abgekauft hatte. Aus diesem Grund hatte die Staatsanwaltschaft eigentlich das Gutachten beim Gerichtssachverständigen in Auftrag gegeben.

Ein Objekt, viele Bewertungen

Die Oberressl-Expertise von August 2009 knöpft sich auch andere Arsenal-Bewertungen vor. So kam etwa im Oktober 2008 der Sachverständige Peter Steppan im Auftrag der Immoaustria auf einen Schätzwert von 72,6 Mio. Euro. Immo-Experte Alfons Metzger kam einen Monat später, im November 2008, in einem Gutachten für die Constantia auf nur 58,5 Mio. Euro, doch meint Oberressl, im Metzger-Gutachten sei "die Ertragswertermittlung grob unrichtig" erfolgt. Im März 2009 ermittelte der Immobilientreuhänder Thomas Keppert einen Wert von 82 Mio. Euro; Auftraggeber: die Petrikovics-Firma STF Immobilienhandels GmbH; dem Keppert-Gutachten bescheinigt Oberressl, es sei "vollständig und in allen Punkten begründet und schlüssig".

(Ag/Red. )

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