Monatshygiene
Vom freien Fluss zur smarten Tasse
Weiche Papyrusblätter, harte Bindengürtel, Baumwoll-Stopfen und "free bleeding". Die Geschichte der Monatshygiene rückwärts erzählt - aus aktuellem Anlass.

Eine anonym unter 1100 österreichischen Jugendlichen durchgeführte Umfrage hat erhebliche Wissenslücken zum Thema Menstruation zutage gebracht. Der Grundtenor der Antworten, die die Plattform "Erdbeerwoche" von den 13- bis 17-Jährigen erhielt, lautete: "Menstruation ist peinlich".
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60 Prozent der Mädchen gaben an, eine negative Einstellung zu ihrer Regelblutung zu haben. 53 Prozent der Burschen glauben, Menstruation diene der Verhütung. Mehr als die Hälfte der Mädchen wisse auch nicht, wann ein Tampon spätestens gewechselt werden muss.
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Die meisten hätten noch nie vom Toxischen Schock-Syndrom gehört - das unter bestimmten Umständen zu einer akuten Blutvergiftung führen kann. Ein guter Anlass um das gar nicht "peinliche" Thema Monatshygiene von Anfang an aufzurollen. Und ein Tampon wechselt man je nach Stärke der Periode alle drei bis sechs Stunden.
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Das Thema der freien Menstruation erlebt dieser Tage ihre Renaissance. Es ist eine Methode, ohne Hilfsmitteln durch die Tage zu kommen - und damit auch eine Idee aus dem Mittelalter. Damals ließen Frauen das Regelblut gezwungenermaßen einfach laufen, Unterwäsche gab es keine. Außerdem galt es als notwendig, so glaubte man, den Blutfluss nicht zu stoppen, um die Lebenssäfte in Einklang zu halten.
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Hinter dem aktuellen Trend zur freien Menstruation steckt der Gedanke, seinen Körper besser kennen zu lernen, den eigenen Zyklus lesen zu lernen (Blut fließt nicht ständig, sondern in Schüben) und ihn wie andere Ausscheidungen gezielt auf der Toilette abfließen zu lassen. In der Nacht, sprich im Liegen ist der Blutfluss ohnehin gering. Für Frauen mit starker Menstruationsblutung ist die Methode allerdings nicht geeignet.
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Frauen im alten Ägypten sollen weiche Papyrusblätter nicht nur als Einlagen verwendet, sondern auch gerollt in den Körper eingeführt haben, um das Blut zu stillen. Bei den Griechinnen und Römerinnen erfüllten mit Leinen umwickelte Holzstücke den gleichen Zweck. Im Bild: Papyrusherstellung
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Im Mittelalter - und auch weit darüber hinaus - hielt sich die antike Vorstellung von der Frau als Mangelwesen. Von Menstruierenden wurde behauptet, dass sie Lebensmittel zum Verderben bringen konnten, der Ernte und vor allem dem Mann schaden würden. Diese toxische Idee überlebte in manchen Teilen Europas weit bis ins 20. Jahrhundert. Hildegard von Bingen deutete das Regelblut als eine der wenigen Gelehrten bereits als ein Zeichen der Fruchtbarkeit.
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"Keine Kameras, keine Schuhe, keine Menstruierenden." Frauen, die ihre Periode haben, werden in vielen Kulturen nach wie vor als unrein diskriminiert - und sind z.B. in Tempelanlagen nicht willkommen. In Indien halten sich Tabus mit religiösem Ursprung genauso hartnäckig wie in Teilen Nepals: Frauen sind während ihrer Menstruation von der Gesellschaft ausgeschlossen. Im Bild: Nepalesische Frauen beim heiligen Bad im Bagmati-Fluss. Während des Rishi Panchami-Festivals in Kathmandu bitten sie um Vergebung für die Sünde ihrer Menstruation.
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Zurück zum freien Fluss. Die Praxis, das Monatsblut frei laufen zu lassen, hielt sich bei der Landbevölkerung in Europa bis ins 19. Jahrhundert. Später nutzten Frauen vor allem selbst genähte Binden aus Stoffresten - die nicht selten im Familienverband die Runde machten. Es gab auch Ausführungen mit Knöpfen, die an sogenannten Menstruationshosen festgemacht werden konnten. Bild: Ein Ausflug in die Gegenwart, Bindennäherinnen aus Kovalam, Indien.
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Übrigens: Von der Menstruationshose gibt es mittlerweile moderne Versionen (bei Thinx, Dear Kate oder Amazon). Sie sehen wie herkömmliche Slips aus, sind aber mit einer Technologie ausgestattet, die Flüssigkeit aufnimmt, ähnlich wie bei einer Binde. Die Ausführungen reichen von den ganz leichten bis zu starken und auch sportlichen Tagen. Nach dem Tragen werden die Höschen gewaschen und wiederverwendet.
Thinx

Apropos alte Tage. Auch selbstgenähte Slipeinlagen plus dazugehörige Schnittmuster drehen in den sozialen Medien wieder die Runde. Treibende Kraft ist auch hier die Zero Waste-Bewegung.
Instagram (schoesschen)

1921 kam ursprünglich die erste Damenbinde mit dem Namen "Dr. White's" auf den Markt. Dieses Modell war mit einem Gürtel vor dem Verrutschen geschützt und soll durchaus nicht bequem gewesen sein. Fünf Jahre später schaffte es das Modell als verbesserter Diana-Gürtel in den deutschsprachigen Raum. 1893 ließ die Stuttgarter Firma Wilhelm Julius Teufel das Modell patentieren. Ergänzt wurde der Gürtel später von einer "Flauminbinde", die aufgerollt benutzt und zum Waschen ausgebreitet wurde.
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Zeitgleich zur "Flauminbinde" gab es auch die erste Einweg-Binde, die Mulpa Damenbinde, zu kaufen. Erst viele Jahre später, 1983, führte Procter & Gamble die heute bekannte Marke "Always" ein, diesen Binden wuchsen auch Flügel als Auslaufschutz an den Seiten. Später wurde dann ein spezielles Gel entwickelt, das die Binden endlich dünner werden ließ.
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Seit Ende der 70er Jahre sind auch Slipeinlagen erhältlich. Nachdem Kotex in den Vereinigten Staaten bereits 1975 eine Version vorgestellt hatte, folgten Johnson & Johnson 1976 mit dem Produkt "Carefree", "Camelia" kam in den 80ern heraus. Slipeinlagen sollten an schwachen Tagen verwendet werden, oder als täglicher Wäscheschutz vor vaginalem Ausfluss zum Einsatz kommen.
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Dr. Earle Haas, ein Landarzt aus Colorado, gilt als der Erfinder des modernen Damentampons. Inspiration bekam er angeblich von einer Freundin, die saugfähige Seeschwämme während ihrer Blutung einführte. Er entwickelte 1929 einen Baumwoll-Stopfen, der mit Hilfe von zwei Kartonröhren eingeführt werden musste. 1933 verkaufte er das Patent an Gertrude Tendrich, eine Geschäftsfrau aus Denver. Sie gründete das Unternehmen "Tampax".
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Der Verkauf der Tampons war anfangs schwierig, weil es den meist männlichen Apothekern unangenehm war, solch ein intimes Produkt zu vermarkten. Auch das Gerücht, dass die Frau durch die Verwendung entjungfert wird, hielt sich hartnäckig.
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Ab 1938 wurden die Tampons dann auch in Großbritannien vertrieben. Im Jahr 1950 kamen sie nach Deutschland. Tampax vertrieb und vertreibt seine Tampons mit einem Applikator, der mehr Hygiene beim Einführen verspricht. Aber auch mehr Abfall.
Instagram (Tampax)

Der erste händisch einzuführende Tampon, "o.b. – ohne Binde" – wurde von dem deutschen Ingenieur Carl Hahn entwickelt und kam 1950 auf den Markt.
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Mit der Frauen- und Umweltschutzbewegung wurde in den 80ern auch die alte Idee der Naturschwämme (später Soft Tampon) wieder modern, diese müssen allerdings ohne Rückholbändchen in die Vagina eingeführt und danach mit Zeige- und Mittelfinger wieder herausgezogen werden.
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Und wer glaubt, dass die Menstruationstasse eine Erfindung der Generation Youtube ist, der irrt. Bereits 1937 ließ die US- Schauspielerin Leona Chalmers einen Cup aus Gummi patentieren. Die Erfindung wurde unter dem Markennamen "Tass-ette" in kleiner Stückzahl produziert, bis im Zweiten Weltkrieg der Rohstoff Gummi zu knapp wurde.
Instagram (tassenfinder)

Zu den neuesten Entwicklungen zählt der "Looncup", eine Menstruationstasse mit elektronischem Chip, der die Menge des Tasseninhalts misst und der Benutzerin über ihr Smartphone via App mitteilt, wenn die Tasse voll ist.
Looncup

Ein Softcup ist wiederum eine Einwegtasse, die aus einem Polyethylensäckchen und einem flexiblen Kunststoffring besteht. Anders als eine Menstruationstasse muss ein Softcup bei vaginalem Geschlechtsverkehr nicht herausgenommen werden.
Instagram (softcup)