Kindergarten-Studie: Vertrauen in Aslan „nicht grenzenlos“

Wie wird Religion in Wiener Kindergärten gehandhabt? Das weiß man nicht so genau.
Wie wird Religion in Wiener Kindergärten gehandhabt? Das weiß man nicht so genau.(c) Stanislav Jenis
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Bürgermeister Häupl hält für die aktuelle Kindergarten-Studie trotz Vorwürfen vorerst an Ednan Aslan fest. Probleme will er nicht „wegreden“. Wie es nun weitergeht.

Mehr als 20 inhaltliche Änderungen – danach standen islamische Kindergärten negativer, weil undifferenzierter da. So lautet der Vorwurf. Einen Tag, nachdem durch einen „Falter“-Bericht bekannt wurde, dass Beamte des Außen- und Integrationsministeriums von Sebastian Kurz die Vorstudie von Ednan Aslan redigiert haben sollen, wird diskutiert, was das zu bedeuten hat. Wer hat welchen Fehler gemacht, was stand in der Studie und welche Konsequenzen gibt es? Eine Einordnung.

1. Die Vorstudie wurde angeblich umgeschrieben. Wie geht es weiter?

Es ist Wahlkampf: Während Kanzler Christian Kern (SPÖ) am Mittwoch seinen Konkurrenten Sebastian Kurz (ÖVP) in Schutz nahm, zeigte sich Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) empört „Dass man eine Studie fälscht – und ich nenn das bewusst fälscht – das ist das allerletzte.“ „Verantwortlich“, so Häupl, „sind allemal die Chefs. Und er (Kurz, Anm.) ist der Chef.“

Häupl betonte, dass er Probleme nicht „wegreden“ wolle. Deswegen hätte man die Ausbildung ausgebaut und Kontrollen erhöht. Ednan Aslan, der (ausgelöst durch seine in Kritik geratene Vorstudie) derzeit mit einem Team der Uni Wien und der FH Campus Wien eine Erhebung zur Situation in den Wiener Kindergärten macht, wird vorerst Mitglied des Forscherteams bleiben. Grund dafür ist auch der Vertrag, der sich nicht einfach auflösen lässt. Das Vertrauen in Aslan sei durch den Vorfall „nicht grenzenlos“, so der Bürgermeister. Er vertraue aber auf das Forscherteam, das die Qualität der Arbeit garantiere.

2. Wie sehen das die Forscher selbst? Was erhebt Aslan überhaupt?

Die laufende Kindergartenstudie ist in drei Teile geteilt. Eine quantitative Erhebung mit Fragebögen an alle Kindergärten und ein qualitativer Teil, in dem es Gruppendiskussionen mit Pädagogen gibt, weiters finden Beobachtungen in Kindergärten statt. Ednan Aslan führt relativ selbstständig eine eigene Teilstudie durch. „Er beschäftigt sich mit den Eltern der Kinder sowie den Trägervereinen und ihre Nähe zu islamischen Organisationen“, sagt Henning Schluß, Professor für empirische Bildungsforschung an der Uni Wien, und Mitglied des Forscherteams. Mit wie vielen Mitarbeitern Aslan seine Teilstudie durchführt, wusste er nicht. „Aber niemand bearbeitet so etwas alleine, das ist wichtig.“

Austausch mit den anderen gebe es in regelmäßigen Gruppentreffen. Auf die Frage, ob Aslan nun weiter im Team bleibe, meint er: „Ich habe bisher keinen Grund anzunehmen, dass die Redlichkeit in unserer Studie nicht eingehalten wurde. Bisher haben wir gut zusammengearbeitet.“ Einmal fertig wird „der Abschlussbericht von uns selbst erstellt. Das heißt, wir sind verantwortlich dafür, was wir schreiben.“

Aus dem Rathaus heißt es, es gebe noch diese Woche einen Termin mit den Wissenschaftlern, um über den aktuellen Vorfall und seine Bedeutung für die Studie zu reden. Unabhängig davon hat die Uni Wien beschlossen, Aslans Vorstudie zu prüfen. Man werde schauen, ob „die Aussagen in der Vorstudie auf Basis von wissenschaftlichen Grundlagen erfolgten.“

3. Wer hat jetzt die Änderungen in der Vorstudie veranlasst ?

Das ist die Frage. Der „Falter“ geht davon aus, dass zwei Beamte des Außenministeriums das Papier geändert haben. Immerhin sind ihre Namen im Korrektur-Modus des Word-Dokuments zu finden. Noch dazu gab Aslan in einer ersten Stellungnahme gegenüber der Zeitung an, nichts von den Änderungen zu wissen. Erst fünf Tage später änderte er laut „Falter“ seine Meinung. Die er nun beibehält. „Alle inhaltlichen Änderungen stammen von mir“, twitterte er am Dienstag. Doch das lässt noch immer viele Fragen offen. Warum müssen die Änderungen stundenlang von Beamten eingegeben werden? Warum muss ein Wissenschaftler, nachdem er einen Endbericht abgeliefert hat, Aussagen zum Teil ins Gegenteil drehen? Auf Basis von welcher Erkenntnis? Aslan war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

4. Was steht denn überhaupt in Ednan Aslans Vorstudie?

Die Aslan-Vorstudie, die das Integrationsministerium bezahlt hat, war von Anfang an umstritten. Denn noch bevor das Projekt fertig war, präsentierte Aslan ein Zwischenergebnis gemeinsam mit Sebastian Kurz. In islamischen Kindergärten wachse eine „Parallelgesellschaft“ heran, wer als Betreuerin ein Kopftuch trägt, werde als Vorbild gehandhabt, es gebe in Kindergärten Religionscurricula, von denen die Stadt nichts wisse etc., so die Erkenntnis. Das Problem? Die Aussagen waren im Bericht nicht immer nachzuvollziehen. Quellen fehlten, angeführte Beweise waren teils schon Jahre alt. Auch die Stichprobe war klein: Aslan gab an, mit fünf Kindergärten persönlich Kontakt gehabt und 24 weitere via Homepages, Flyern etc. analysiert zu haben, weiters gab es Gespräche mit neun Elternteilen und drei Ex-Mitarbeiterinnen. Trotzdem ließ sich Kurz zur Aussage hinreißen, man müsse „viele der Kindergärten sofort schließen“.

Umso erstaunlicher war dann der (jetzt kritisierte) Endbericht der „Vorstudie“. Für ihn wurde das Datenmaterial von 127 Kindergärten und -gruppen analysiert. Das heißt, dass ein Großteil des Kindergarten-Materials wohl erst nach dem Zwischenbericht untersucht wurde.

5. Wie sieht es tatsächlich in den Kindergärten aus?

Das weiß man eben bis heute nicht. Erst die Kindergartenstudie, die im Herbst 2017 fertig sein soll, soll die dringend notwendigen Daten und Fakten liefern. Fest steht aber, dass Aslan mit seiner Vorstudie in ein Wespennest gestochen hat. Das belegen auch die zahlreichen Förderskandale, die aufgedeckt wurden. Islamexperten wie Mouhanad Khorchide und der Wiener Soziologe Kenan Güngör bestätigten wiederum, Aslans Beobachtungen auch selbst in einem Teil der Kindergärten gemacht zu haben. „Dass da was dran ist, ist relativ klar“, sagt Güngör zur „Presse“. „Aber bis heute reden wir auf Basis von Spekulationen, Beobachtungen und Vermutungen.“ Deswegen sei das Warten auf die finale repräsentative Studie so wichtig.

Lexikon

Repräsentative Studie. Derzeit arbeiten sechs Forscher (inklusive Ednan Aslan) an einer Studie über die Situation und Handhabung von Religion in Wiens Kindergärten. Auslöser dafür war eine Vorstudie von Ednan Aslan, die er im Februar 2016 veröffentlichte. In diese Studie sollen Mitarbeiter des Integrationsministeriums eingegriffen und Inhalte dramatisiert und zugespitzt haben.

Dieser Vorstudie geht ein Zwischenbericht von Aslan und Kurz im Dezember 2015 voraus. Trotz einer nur niedrigen Stichprobengröße sprachen Kurz und Aslan von Parallelgesellschaften, die sich in Kindergärten bilden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2017)

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