Auf der Schiene wird aufgeräumt

Kellner auf Schienen werden künftig nach Eisenbahner-Kollektivvertrag bezahlt. Somit ist der Streit um Dumpinglöhne beim ÖBB-Caterer beigelegt.
Kellner auf Schienen werden künftig nach Eisenbahner-Kollektivvertrag bezahlt. Somit ist der Streit um Dumpinglöhne beim ÖBB-Caterer beigelegt.(c) Clemens Fabry
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Die Affäre um Arbeitszeitverstöße beim ÖBB-Caterer Henry am Zug hat späte Folgen: Aus Bahnkellnern werden nun offiziell Eisenbahner. Die Unternehmen kommt das deutlich teurer.

Wien. „Die bisher gelebte Praxis, ungarische Kräfte zu Hungerlöhnen einzusetzen, wird ausgeschlossen.“ Mit dieser frohen Botschaft trat Roman Hebenstreit, Chef der Gewerkschaft Vida, am Mittwoch an der Seite von ÖBB und Wirtschaftskammer vor die Presse. Der nähere Hintergrund: Seit 1. Juli werden Kellner in Österreichs Zügen nicht mehr nach dem Gastronomie-Kollektivvertrag, sondern dem flexibleren – und vor allem besser entlohnten – der Eisenbahner bezahlt. Sie fallen dort unter die Sparte „mobile Reisebetreuung in Zügen“. Gelernte Kräfte bekommen 1761 Euro brutto – 25 Prozent mehr als davor.

Der direkt Angesprochene, Do&Co-Chef Attila Doğudan, fehlte am Mittwoch in der ÖBB-Lounge am Hauptbahnhof. Gewerkschaftschef Hebenstreit machte kein Hehl daraus, dass die Vorwürfe gegen die Do&Co-Tochter Henry am Zug, die das Bordbistro für die ÖBB seit 2012 betreibt, den finalen Ausschlag gaben, mit den Arbeitsverhältnissen in der Branche aufzuräumen. Dort war der Verdacht aufgekommen, dass es zu systematischen Arbeitszeitüberschreitungen und Ruhezeitunterschreitungen kommt. Außerdem soll die Firma ihre ungarischen Leiharbeitskräfte zu ungarischen Mindestlöhnen bezahlt und damit gegen das Lohn- und Sozialdumpinggesetz verstoßen haben.

Strafen nicht vom Tisch

Arbeitsinspektoren und Finanzpolizei führten mehrmalige Razzien durch. Vergangenen August kamen sie in einer konzertierten Aktion in den ÖBB-Speisewagen auf 37 Arbeitszeitverstöße, sagt Sozialministeriumssprecher Christoph Ertl der „Presse“. Die oft kolportierte Strafe von 1,3 Mio. Euro dürfte Do&Co zwar nicht drohen. Aber mehrere Hunderttausend Euro muss das Unternehmen wohl in diesen 37 Fällen zahlen. Die Einspruchsfristen laufen noch.

Ertl spricht von einem „sehr positiven Ende“ der Affäre. Doğudan habe sich gegenüber den Arbeitsinspektoren einsichtig gezeigt. Die beschlossene KV-Umwandlung stehe für den Erfolg der Gespräche. Der Do&Co-Chef selbst reagierte am Mittwoch nicht auf die Frage der „Presse“, wie er die Lohnerhöhung für die 350 Henry-Mitarbeiter sieht. Dafür attestierte ihm ÖBB-Chef Andreas Matthä, seine Aufgabe „bravourös gemeistert“ zu haben. Die Bundesbahnen machten nie ein Geheimnis daraus, dass sie den Auftrag gerne wieder an ihren alten Kandidaten vergeben würden.

Mit Jahresende soll feststehen, wer den Zuschlag für das gesamte ÖBB-Bahncatering bekommt. Im Juni 2018 läuft der Vertrag mit Henry am Zug aus. Do&Co werde wieder teilnehmen, sagte Matthä am Mittwoch. Das klang vor einem Jahr noch anders: Da wollte Doğudan nach dem Eklat mit der Gewerkschaft den Vertrag, der ihm nach eigenen Angaben in vier Jahren zehn Mio. Euro Verlust und nur ein einziges Jahr Gewinn gebracht hatte, kurzerhand aufkündigen. Gegen den Willen der Bahn war das aber nicht möglich.

Wenn Henry am Zug tatsächlich wieder für den vierjährigen Vertrag mitbietet, scheint der Zuschlag aber noch nicht sicher. Die ÖBB sprechen von einer „großen Anzahl von Bewerbern“, die bereits in dieser frühen Phase ihr Interesse an dem Auftrag bekundet.

Bisher schreckte die Rechts- und Planungsunsicherheit viele ab. Firmen-Kollektivverträge, wie der, den Attila Doğudan von seinem Vorgänger-Caterer übernahm, ließen Rechtslücken offen. Die Personalsuche gestaltete sich schwierig, 30 bis 40 Prozent der Mitarbeiter wechselten stetig, so Hebenstreit.

Die neuen branchenweiten Mindeststandards für die insgesamt 400 Bahnkellner – und ab 2020 auch für 500 Angestellte in den Liege- und Schlafwagen – sollen neben Zuschlägen für lange Stehzeiten und Nebenleistungen dafür sorgen, dass die Arbeit im Bahncatering auch auf der Arbeitnehmerseite an Reiz gewinnt.

Auswirkung für Bahnkunden?

Die gestiegenen Löhne würden aber nicht mit den Speisen an die Bahnkunden weitergereicht, betont Matthä. Flexible Arbeitszeiten, die im Abtausch für ein besseres Gehalt im neuen Kollektivvertrag Zwölfstundenschichten ermöglichen, würden die Kostenlast für die Caterer abfedern.

Beim ÖBB-Konkurrenten Westbahn gibt man sich ob der Änderungen gelassen: „Das beeinflusst uns überhaupt nicht“, heißt es dort. Schließlich würden die Stewards, die auch Snacks servieren, längst wie Eisenbahner bezahlt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2017)

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