Vom "Dauerverlierer" zum "IS-Sympathisanten"

Ermittler beim Tatort vergangenen Freitag
Ermittler beim Tatort vergangenen FreitagAPA/LAUMAT.AT/MATTHIAS LAUBER
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Die Radikalisierung des Doppelmörders von Linz könnte laut Polizei erst in den vergangenen Monaten vor dem Computer erfolgt sein.

"Er hat sich als Dauerverlierer gefühlt, einen Schuldigen gesucht" - so beschreibt der oberösterreichische Polizeidirektor Andreas Pilsl den Mann, der in Linz ein Pensionisten-Paar getötet haben soll. In Einvernahmen gab er Hass auf die FPÖ als Motiv an. Die Auswertung seines Computers deutet bisher aber eher darauf hin, dass er sich in den vergangenen Monaten in Richtung IS radikalisiert habe.

Der 54-jährige Tunesier kam 1989 nach Österreich. Wenige Jahre zuvor hatte Jörg Haider die FPÖ übernommen und weiter nach rechts gerückt. Der Zuwanderer hatte von Beginn an ein kritisches Verhältnis zu der Partei, aber auch zu weiten Teilen der Gesellschaft, schildern die Ermittler. Demnach fühlte er sich als religiöser Muslim und als Ausländer schlecht behandelt und machte die FPÖ dafür verantwortlich.

Einige Zeit lebte er im Bezirk Vöcklabruck, wo er in einen Nachbarschaftsstreit um ein Wegerecht verwickelt war. Als ihn sein Kontrahent angezeigte, weil er den Tod zweier Katzen verschuldet haben soll, empfand er die Anschuldigungen als ungerecht. Er dachte, dass sein Widersacher ein lokaler FPÖ-Funktionär sei, und sah sich in seinem Vorurteil erneut bestätigt.

Wegen Tierquälerei verurteilt

Tatsächlich dürfte jener Fall gar keine politische Komponente gehabt haben, er war offenbar einer Verwechslung aufgesessen. Auch wurde er wegen Tierquälerei verurteilt. Die Geldstrafe habe er nicht zahlen können, stattdessen habe er 30 Stunden hinter Gittern gesessen, erzählte seine Partnerin jüngst der "Krone". Dennoch soll der Verdächtige weiter immer die FPÖ hinter allem Unbill gesehen haben, etwa wenn er mit dem Arbeitsmarktservice unzufrieden war oder die Mindestsicherung gekürzt wurde.

2014 ging er zurück nach Tunesien und versuchte sich dort eine neue Existenz als Tischler, seinem erlernten Beruf, aufzubauen. Die Pläne scheiterten allerdings und er kam wieder nach Österreich. Damals nahm ihn erstmals der Verfassungsschutz unter die Lupe, allerdings mit unbedenklichem Befund. Optisch wirkte er nun sogar westlicher als vorher, denn er hatte sich den Vollbart abrasiert.

Zuletzt arbeitete der Mann in Linz im Bio-Laden seiner Lebensgefährtin, einer österreichischen Konvertitin. In einer Reportage der "Oberösterreichischen Nachrichten" über das betreffende Stadtviertel vom Sommer des Vorjahres, erzählte die Frau stolz von ihren Produkten diverser Mühlviertler Direktvermarkter und ihr Lebensgefährte lächelte gewinnend beim Obstschlichten in die Kamera.

Bild des Sohnes der späteren Opfer mit Haimbuchner 

Für die Greißlerei lieferte er regelmäßig Waren aus - dienstags und freitags auch an den 87-Jährigen und seine 85-jährige Frau. Die beiden Pensionisten sollen ihn gut behandelt, ihm sogar Geld zugesteckt haben. Den Zusteller dürfte allerdings ein Bild aus der Fassung gebracht haben, auf dem ein Sohn des Paares mit dem oberösterreichischen FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner zu sehen war. Der Sohn arbeitet beim Land, Haimbuchner ist sein Chef, er selbst wird aber nicht der FPÖ zugerechnet.

Der Tunesier wollte offenbar ein "klärendes Gespräch" mit den beiden Pensionisten bzw. mit deren Sohn führen. Dazu kam es aber nicht, was ihn geärgert haben dürfte. Weiteres Ungemach stand ins Haus, weil ihm der Gerichtsvollzieher eine Strafe in Aussicht stellte. Wenige Tage vor der Tat fasste er dann laut Ermittlern den Entschluss, ein Exempel an der Gesellschaft zu statuieren. Später bei der Polizei sagte er, er wisse, dass es nicht richtig gewesen sei und, dass die beiden Opfer gar nichts für seine Situation können.

Laut Pilsl hat der Mann als Einzeltäter gehandelt, das ist bisher nach wie vor Stand der Ermittlungen. Anders als am Wochenende, wo man noch dachte, dass der Tunesier am politischen Islam kein Interesse habe, gehen die Ermittlern nun aber doch von einschlägigen Kontakten aus: Der Verdächtige verfügte laut Innenminister über mehrere verschlüsselte Zugänge, die - teils nach der Übersetzung aus dem Arabischen - dann doch Hinweise auf eine Radikalisierung zutage förderten.

Genauer Bezug zum IS noch unklar

Pilsl bezeichnete ihn als "IS-Sympathisant". Wann genau er dazu wurde, ist unklar. Der 54-Jährige wollte nach derzeitigen Erkenntnissen nie als Kämpfer nach Syrien, sagte der Innenminister. Möglicherweise hat er sich erst in den vergangenen Monaten vor seinem Computer selbst radikalisiert. "Die letzten Monate zeigen eine klare Sympathie und Zuwendung zum IS", sagte Pilsl am Donnerstag im "Ö1-Morgenjournal". Hinweise auf den angeblichen FPÖ-Hass seien auf den Datenträgern aber "aktuell nicht" aufgetaucht.

Welche psychiatrische Komponente der Fall hat, soll nun die bereits beauftragte Gutachterin Adelheid Kastner beurteilen. Johanna Winkler, Primaria der Psychiatrie II an der Linzer Uniklinik, geht von einer Persönlichkeitsstörung aus: "Bei Menschen mit normaler Entwicklung, guter Empathie und sozialem Verständnis wird in der Regel der Hass auf die Gesellschaft nie so groß werden, dass man jemanden tötet", sagte sie in der Dienstag-Ausgabe der "Oberösterreichischen Nachrichten".

(APA)

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