Daniel L. hat seine im fünften Monat schwangere Freundin erschossen und tags darauf seinen 22 Monate alten Sohn erwürgt. Dafür bekam der 24-Jährige die Höchststrafe.
Ein junger Mann, grauer Anzug, blau gestreifte Krawatte sitzt vor dem Drei-Richter-Senat und weint. Der schmächtig wirkende 24-Jährige wischt sich immer wieder die Tränen ab. Ein Justizwachebeamter bringt ihm mehrmals neue Taschentücher. Diese Szene bietet sich am Donnerstag im historischen Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien. Der Zuschauerandrang ist groß. So groß, dass das Gericht kurzfristig entscheidet, auch die Zugänge zur Saal-Galerie aufsperren zu lassen. Thema des viel beachteten Prozesses: der Mann im grauen Anzug hat seine Freundin erschossen und seinen Sohn erwürgt.
Doppelmord und Schwangerschaftsabbruch ohne Einwilligung der Schwangeren wird dem gebürtigen Steirer Daniel L. eingangs zur Last gelegt. Am Ende steht ein Urteil, das viele Beobachter keineswegs überrascht: L. bekommt lebenslange Haft. Der Spruch ist noch nicht rechtskräftig.
"Ich weiß, es war unmenschlich und verabscheuungswürdig. Ich hasse mich dafür jeden Tag. Ich kann es nicht erklären." Das sagt der junge Mann, der zuletzt als Polizist in Wien-Wieden Dienst versah.
"Der Gedanke, sie zu töten"
Am 2. Oktober 2016 schoss L. seiner im fünften Monat schwangeren Freundin Claudia K. (25) aus nächster Nähe in den Hinterkopf. Am Vortag ("Hatte den Gedanken im Kopf, sie zu töten") hatte der Inspektor eigens dafür seine Dienstwaffe aus dem Revier zu sich nach Hause geholt. "Ich habe die Waffe genommen, weil ich nicht mehr aus und ein wusste", schluchzt L. "Jetzt im Nachhinein weiß ich, dass es tausend andere Möglichkeiten gegeben hätte. Ich habe die Waffe an den Hinterkopf gehalten, die Augen zugemacht und abgedrückt. Noah hielt gerade seinen Mittagsschlaf."
Noah war der 22 Monate alte Sohn des Polizisten. "Ich wollte, dass Noah in einer Familie aufwächst", sagt L. den sichtlich geschockten Geschworenen. Nachdem L. dem Kind die Mutter genommen hatte, "hab ich geglaubt, es ist das Beste für ihn" - mit "das Beste" meint L. den Tod.
Der Vorsitzende des Senats, Richter Stefan Apostol: "Sie haben beide Hände genommen und ihn erwürgt." Der Angeklagte: "Ja." Und: "Wenn die Mutter tot ist ..." Wie lange er zugedrückt habe, wisse er nicht. Außerdem: "Ich hatte meine Augen zu."
Allein die Chronologie der Ereignisse ist für viele Zuschauer unbegreiflich. Die Taten ereigneten sich nicht hintereinander. Claudia K. starb am 2. Oktober um ca. 14 Uhr. Unmittelbar danach traf sich L. mit einer Freundin, die er mittels einer Internet-Plattform kennengelernt hatte (auch Claudia, eine gebürtige Kärntnerin, hatte er Anfang 2014 via Internet kennengelernt). Mit der Neuen, deren Existenz Claudia K. nicht verborgen geblieben war, den beiden kleinen Kindern dieser Frau sowie mit seinem Sohn Noah suchte L. gleich nach der Bluttat einen "Funpark" in Wien auf.
Die beiden Leichen lagen im Keller
Erst tags darauf in der Früh tötete L. auch das Kind. Er legte dann beide Leichen in das Kellerabteil seines in Wien-Margareten liegenden Wohnhauses. Und beseitigte die von der Schussabgabe herrührenden Blutspuren. Die neue Frau war für denselben Tag zur Übernachtung bei L. eingeladen. Sie ahnte nicht, dass im Keller des Hauses die Leichen einer Frau und eines Kindes lagen.
"Ich war immer sehr sozial orientiert. Deshalb habe ich mich bei der Polizei beworben", erzählt der freilich längst suspendierte, von Iris Augendoppler und Ernst Schillhammer verteidigte Angeklagte über sich selbst. Nachdem er Claudia K. kennengelernt hatte, sei alles ganz schnell gegangen. Er sei bei ihr und ihren Eltern eingezogen. Zwei Wochen später war K. schwanger.
Als dieses Thema zur Sprache kommt, blättert der Richter im Strafakt und fragt L., ob es stimme, dass zunächst Zweifel über die Vaterschaft bestanden hätten. L. bestätigt. "Anfänglich hatte ich Zweifel, ob das Kind von mir ist. Das war mir ab der Geburt aber egal, ich hab mich gleich in ihn verliebt."
Wunsch nach intakter Familie
Es sei ihm immer darum gegangen, eine intakte Familie zu haben, für seine Familie da zu sein. Seine Freundin habe ihn aber immer wieder mit Vorwürfen überhäuft, etwa, dass er "nichts Gescheites" gelernt habe. Auch habe sie ihm "verboten" zu seinen Eltern in die Steiermark zu fahren. Die zweite Schwangerschaft sei für ihn zu früh gekommen, er sei für ein zweites Kind noch nicht bereit gewesen. Ebendiese Aussage des Angeklagten wird aber durch sichergestellte Chatprotokolle zwischen L. und Claudia K. relativiert.
Und dann kommt auch die Sache mit der Axt zur Sprache, eine geradezu bizarre Abfolge von Ereignissen: L. kaufte in einem Baumarkt eine Axt und dazu große Müllsäcke. Die Axt deponierte er zu Hause unter dem Bett, sodass sie prompt von seiner Freundin gefunden wurde. Der Angeklagte: "Sie hat mich gleich darauf angesprochen." Auf konkretes Befragen des vorsitzenden Richters gesteht L. zu, dass er dieses Werkzeug sehr wohl deshalb gekauft habe, um Claudia K. "zu töten" - "ich habe diesen Gedanken aber verworfen." Letztlich brachte Claudia K., nichtsahnend, das Werkzeug in den Baumarkt zurück.
Das mit der anderen Frau, man könnte auch sagen: mit der heimlichen Geliebten, habe nicht viel bedeutet. Treffen mit ihr seien ein "Abschalten" gewesen, "die Probleme waren weg".
Doch das waren sie nicht - wie (ebenfalls nachträglich sichergestellte) Google-Abfragen im Internet zeigen. L. suchte nach Stichworten wie "Genick brechen", "Hinrichtung durch Kopfschuss". Oder nach "Leiche einmauern", "Leiche verschwinden lassen", "Salzsäure" und "Leiche auflösen".
"Warum?", will der Richter wissen. "Ich war in einem negativen Strudel. Ich war zu schwach, dass ich um Hilfe geschrien hätte", sagt L. mit vornübergebeugtem Kopf.
Zuletzt fuhr L. die beiden Leichen in einem Koffer und einer Reisetasche in die Steiermark, "nach Hause", wie der Angeklagte sagt. Dort legte er die beiden Toten im Koffer und in der Reisetasche auf einem offen zugänglichen Grundstück ab. Versuche, die Spuren der Tat zu verwischen gab es sehr wohl. Diese - und darauf weist die Verteidigung hin - seien aber wenig ausgeprägt gewesen.
Warum er nicht einfach aus der offenbar kritischen Beziehung mit Claudia K. ausgebrochen sei, will eine Richterin des Senats wissen. L. versucht eine Erklärung. Er meint, er habe unbedingt die Familie zusammenhalten wollen. Die Richterin: "Wieso ist es für Sie leichter Ihre Freundin zu erschießen, als zu gehen?" L. wiederholt: "Ich wollte eine Familie für Noah haben." Und: "Ich frage mich auch jeden Tag, warum ich nicht einfach gegangen bin."