Die liberale Allianz und das „progressive“ Österreich

Rot-Grün-Pink gegen Schwarz-Blau: Für die Neos powered by Irmgard Griss wäre es besser, sie ließen sich auf diese Versuchung eines Duells nicht ein.

Kurz nachdem Neos-Chef Matthias Strolz Irmgard Griss – jetzt aber wirklich – als Kandidatin präsentiert hatte, stellte sich in Wien eine Initiative für ein „weltoffenes, tolerantes und progressives Österreich" vor, dessen Ziel die Verhinderung einer „rechtspopulistischen Regierung“ ist. Neben zahlreichen Proponenten und Prominenten, die politisch eher der linken Reichshälfte zuzuordnen sind, finden sich dort auch Neos-Sponsor Hans Peter Haselsteiner und Matthias Strolz selbst wieder.

Denn natürlich ist es angenehmer, auf der Seite des Lichts, des „progressiven Österreich“, zu stehen als auf jener der „rechtspopulistischen“ Finsternis. Auch wenn es bei den Neos welche geben mag, die die Hoffnung auf eine bürgerliche Alternative – für eine theoretische Mehrheit brauchten ÖVP und Neos auch noch die Grünen oder die Liste Pilz – noch nicht aufgegeben haben, so tendiert die Partei an sich doch stärker zu einer Ampelkoalition mit der SPÖ und mit den Grünen. Die Abneigung gegenüber Sebastian Kurz verbindet. Derselbe Sebastian Kurz übrigens, mit dem die Neos-Führung vor gut einem Jahr noch über eine gemeinsame Plattform verhandelt hat.

Nun gibt es also die erwartete Plattform mit Irmgard Griss. Oder wie es etwas sperrig heißt: die Allianz für Freiheit und Verantwortung. Ob die Partei tatsächlich so auf dem Stimmzettel stehen wird, ist noch ungewiss. Ebenso, ob Irmgard Griss den Neos stimmenmäßig überhaupt etwas bringt. Der Nimbus des Neuen, der Glanz der unabhängigen Kandidatin der Bundespräsidentenwahl, ist jedenfalls dahin – das hat auch viel mit ihrem Zögern und Zaudern in den vergangenen Monaten zu tun. Abgesehen davon, dass die Neos in den vergangenen Jahren – im Gegensatz zum Team Stronach, das gleichzeitig in den Nationalrat eingezogen war – ja selbst durchaus fähiges Personal vorzuweisen hatten, das sich im Parlament nicht zu verstecken brauchte – und das auch nicht tat.

Die ehemalige Höchstrichterin bringt den Neos jedenfalls ein wenig Aufmerksamkeit. In Zeiten von umgeschriebenen Studien, Brenner-Panzern und IS-Morden ist das ja auch schon etwas. Allerdings: Für das Überleben der Neos bedeutungsvoller ist, dass ihnen die Mitbewerber Platz überlassen haben. Die ÖVP ist unter Sebastian Kurz – in der öffentlichen Wahrnehmung jedenfalls – nach rechts gerückt. Die Grünen nach links. Somit haben die Neos in der Mitte mehr Spielraum.

Mit dem Schielen in Richtung Rot-Grün-Pink schränken sie diesen aber wieder ein. Auch wenn Matthias Strolz sich offiziell alle Varianten offenhalten will, so werden die Neos doch – und da sind wir wieder bei der Wahrnehmung – tendenziell eher als linksliberal denn rechtsliberal wahrgenommen.

Und an diesem Image haben sie auch selbst Anteil: Im Gegensatz zum heftig attackierten Sebastian Kurz wird Christian Kern von den Neos auffallend geschont. Und in der Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik waren sie lang im Gleichklang mit Sozialdemokraten und Grünen unterwegs. Ehe Matthias Strolz die Linie der Realität anpasste und in seiner Partei eine Kurskorrektur durchsetzte. Was im Sinn von Schmied (Kurz) und Schmiedl (Strolz) dann aber auch nicht so wirklich wahrgenommen wurde. Immerhin erleicherte dies Irmgard Griss nun, die sich stets gegen Obergrenzen bei Flüchtlingen ausgesprochen hatte, bei den Neos anzudocken.

Das „progressive“ Österreich also. Klingt gut. Wie „offene Grenzen“ statt „Grenzkontrollen“. Ist aber eine Selbstzuschreibung, die der Wirklichkeit nicht immer standhält. Denn gerade die SPÖ und die Grünen waren in den vergangenen Jahren oft die Strukturkonservativen, die wenig Veränderung des Status quo wollten: Pensionssystem, Sozialsystem, Integrationspolitik – alles paletti, brauch' ma nichts tun, außer kosmetische Nachbesserungen vielleicht.

Für die Neos kann man nur hoffen, dass der (vorläufig) neue Name Allianz für Freiheit und Verantwortung auch Programm ist. Mit der Betonung – auch – auf Verantwortung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2017)

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