Die Morde in Linz sind ein Beispiel für misslungene Integration.
Der an einem Linzer Ehepaar begangene Doppelmord hat dem Innenministerium zufolge „eindeutig einen IS-Hintergrund“. Was bedeutet dies für die Sicherheitslage in unserem beschaulichen Land? Hat der europaweit grassierende IS-Terror nun, wie es sich bereits seit Längerem abgezeichnet hat, nun also Österreich erreicht?
Teilweise. Noch ist man hierzulande glücklicherweise nicht auf der bedrohlichen Gewaltebene minutiös geplanter Anschläge durch Terrorzellen angelangt. Ebenso wenig hat sich bei uns bislang jenes „bewährte“ Tatbegehungsschema erkennen lassen, wo ein Fahrzeug zur Waffe umfunktioniert wurde. Nichtsdestoweniger kann der Vorfall in Linz durchaus Auslöser oder gar Vorbild für weitere in naher Zukunft zu erwartende Akte terroristisch motivierter Gewalt sein.
Beim Mord an zwei hochbetagten Österreichern handelt es sich um eine ruchlose Gewalttat, die dem IS zugeschrieben wird und damit eine terroristische Dimension erlangt hat.
Die spontane Vorgehensweise spricht für eine Sonderform des Lumpenterrorismus, wobei ein Täter üblicherweise kriminell unerfahren ist und eher dilettantisch vorgeht. Normalerweise ist dieser Modus Operandi typisch für junge Gewalttäter, die sich Anleitung in einschlägigen Foren holen oder direkt mit Gleichgesinnten austauschen. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen endogener und exogener Motivation. Bei Ersterer ist eine intensive Befassung etwa mit IS-Propaganda für die Tatbegehungsabsicht ausreichend, bei Letzterer bedarf es einer bestärkenden Anregung durch andere Islamisten. Oft sind es in der Praxis Hybridvarianten.
Im konkreten Fall konnte offenbar ein vorangegangener Austausch (Internet oder Instant Messaging) zwischen dem Mörder und IS-Mittelsmännern nachgewiesen werden, wobei eine Anstiftung im Raum steht. Hier sollte eine Terrorismusprävention ansetzen können. Aus Sicht der Terrorismusbekämpfung wäre die bereits diskutierte, derzeit noch fehlende, gesetzliche Grundlage für einen behördlichen Zugriff auf verschlüsselte Messenger-Dienste (Skype, WhatsApp, Telegram) hierfür dringend erforderlich.
Natürlich ausschließlich bei begründetem Verdacht und unter strikter Einhaltung der Grundrechte. Denn in der Regel werden wichtige Informationen zu terroristischen Vorhaben vorab geteilt, die es im Vorfeld abzufangen und auszuwerten gilt. Leider können die gewonnenen Daten meist erst im Nachhinein für die Aufklärungsarbeit genutzt werden.
Rache und blinder Hass
Als Motiv für die Tat sind vorerst Rache sowie blinder Hass anzunehmen. Der unter Verdacht stehende Linzer IS-Mörder kann als Beispiel für eine misslungene Integration angesehen werden. Zu Recht fragt man sich, warum sich jemand nach 30 Jahren in Österreich derartig radikalisiert. Gründe für die Radikalisierung sind persönliche Frustration, ideologische Indoktrination, ein begünstigendes Umfeld sowie erhöhte Gewaltneigung.
In jüngster Vergangenheit häufen sich europaweit terroristische Vorfälle rund um Personen, die bereits seit Längerem in jenem Land aufhältig waren, wo sie die Schreckenstat begehen. Der sogenannte „homegrown“ Terrorismus stellt derzeit das gravierendste Sicherheitsproblem dar. Attentäter radikalisieren sich im klandestinen Graubereich und schlagen unvermittelt zu.
Es steht zu befürchten, dass Trittbrettfahrer bzw. andere Extremisten diesem Vorbild folgen werden und ihre terroristisch motivierten Gewaltszenarien bald in die Tat umsetzen könnten. Auch in Deutschland hat die Terrorplage mit solchen „kleineren“ Vorfällen begonnen.
Dr. Nicolas Stockhammer forscht im Bereich Sicherheitspolitik mit Schwerpunkt Terrorismusbekämpfung (Berlin, Stanford University). Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Polemologie und Rechtsethik (Universität Wien und Landesverteidigungsakademie).
E-Mails an: debatte@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2017)