Reform der Invaliditätspension ein teurer Flop

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Laut Rechnungshof liegen die Kosten bis 2018 um rund 750 Millionen Euro über dem Budgetplan. Das Kontrollorgan bestätigt außerdem, dass mit der Umstellung das tatsächliche Pensionsalter stark geschönt wird.

Wien. Das Thema Pensionsreform wird derzeit nicht einmal mehr von der Neuen Volkspartei in den Mund genommen. Dabei läuft bei den Pensionen nach den unter Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ab Anfang 2014 umgesetzten Neuregelungen längst nicht alles glatt. Die Kehrtwende bei der Invaliditätspension funktioniert nur auf dem Papier. Am Ende waren die Kosten um rund 750 Millionen höher als geplant, wie der Rechnungshof herausfand.


• Mehrausgaben statt Einsparungen. Die Reform brachte die Abschaffung der befristeten Invaliditätspension für unter 50-Jährige. Stattdessen war und ist das Ziel, Betroffene, die zwischenzeitlich ein Rehabilitationsgeld erhalten, mit gesundheitlicher und beruflicher Rehabilitation ins Berufsleben zurückzubringen. Was das Budget betrifft, ging das Vorhaben völlig daneben. Das Sozialministerium hat für die Zeit von 2014 bis 2018 mit Einsparungen von 648 Millionen Euro gerechnet. Die Realität sieht ganz anders aus. Das Kontrollorgan rechnet bis 2018 sogar mit Mehrausgaben von 100 bis 200 Millionen Euro. Die Kosten sind damit um zumindest rund 750 Millionen Euro höher als geplant.


• Nur selten Rückkehr ins Berufsleben.
Der Hauptgrund für diese Fehlkalkulation ist, dass viel weniger Betroffene nach der – teuren – Phase der Rehabilitation die Rückkehr in einen Job schaffen. Das Ziel lautete, dass bereits 2015 4000 Personen in medizinischer und 2500 in beruflicher Rehabilitation derart betreut würden. 90 Prozent davon sollten wieder gesund sein und 60 Prozent wieder arbeiten. Es bezogen freilich rund 19.000 Menschen Rehabilitationsgeld. Damit haben fast fünfmal so viele Personen wie erwartet diese Sozialleistung genützt. Nach einem Jahr waren aber nicht 90, sondern zwölf Prozent gesund. Davon waren aber nur zwölf bis 25 Prozent wieder erwerbstätig, fand der Rechnungshof bei seiner Einschau, die die Jahre 2014 und 2015 umfasste, heraus.


• Neun Prozent mehr Geld. Für die Betroffenen positiv, für den Staat und dessen Sparpläne negativ wirkte sich ein anderer Umstand aus. Das seit Anfang 2014 neue Rehabilitationsgeld war im Schnitt laut Prüfbericht um neun Prozent höher im Vergleich zur bisherigen Invaliditätspension. Im Einzelfall mussten Betroffene aber auch mit viel weniger Sozialleistung auskommen, bei manchen war es hingegen auch viel mehr. Der Grund dafür waren die neuen Detailregelungen, die teilweise nur schwer durchschaubar sind. Die Rechnungshofprüfer sahen immerhin, dass eine gezielte Steuerung und damit ein Anreiz zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt „nicht gegeben“ war.


• Pingpong im Sozialsystem. Eine andere Schwachstelle ist, dass bei der Betreuung Pensionsversicherung, Gebietskrankenkasse und Arbeitsmarktservice zusammenarbeiten müssen. Es fehlte nicht nur eine gemeinsame Zielvereinbarung. Im Alltag erwies sich die Bürokratie als Hindernis. Im staubtrockenen Bericht des Rechnungshofes liest sich das so: „Mehrere operative Probleme an den Schnittstellen“ seien „noch nicht gelöst“ gewesen.


• Kaum berufliche Rehabilitation. Im Gegensatz zur gesundheitlichen Rehabilitation war die berufliche Rehab etwa durch Umschulungen ein absolutes Minderheitenprogramm. Nur 150 Personen wurden auf diese Weise betreut.


• Pensionsantrittsalter. Wie „Presse“-Leser bereits seit dem Vorjahr wissen, wurde die Umstellung auf Rehab-Geld auch genützt, um die Entwicklung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters besser darzustellen. Rehab-Geldbezieher werden anders als früher Invaliditätspensionisten nicht eingerechnet. Das Sozialministerium kam damit im Schnitt für 2015 auf 60,2 Jahre, der Rechnungshof sah zwar auch einen Anstieg – allerdings bloß auf magere 59,1 Jahre.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2017)

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