Kurz und Kern einig: Türkischen Einfluss "nicht zulassen"

Archivbild von vor einem Jahr, als türkisch-stämmige Österreich nach dem Putschversuch in der Türkei für Präsident Erdogan auf der Mariahilfer Straße demonstrierten.
Archivbild von vor einem Jahr, als türkisch-stämmige Österreich nach dem Putschversuch in der Türkei für Präsident Erdogan auf der Mariahilfer Straße demonstrierten.APA/HERBERT P.OCZERET
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Außenminister Kurz verbietet dem türkischen Wirtschaftsminister zum einjährigen Putschgedenken die Einreise, mit Rückendeckung von Kanzler Kern. Es bestehe "Gefahr für öffentliche Ordnung und Sicherheit".

Der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci darf aktuell nicht nach Österreich einreisen. Es geht dabei konkret um den Besuch der Gedenkfeiern zum Anlass des Putschversuchs in der Türkei vor einem Jahr, teilte das Außenministerium am Montag in einer Aussendung mit. Das habe Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) entschieden.

Kurz sagte dazu gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal, dass er nicht wolle, dass die "aufgeheizte Stimmung" in der Türkei nach Österreich gebracht wird. "Wenn diese Spannungen nach Österreich hereingetragen werden, dann ist das etwas, was ich klar ablehnen muss."

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) unterstützte Kurz. "Hier geht es darum, dass die türkische Regierung und ihr Präsident (Recep Tayyip Erdogan, Anm.) politischen Einfluss in Österreich ausüben wollen. Das geht nicht, das werden wir nicht zulassen", sagte er im Ö1-Mittagsjournal. Nach Angaben von Kerns Sprecher Nikolai Moser war die Entscheidung für ein Verbot im Vorfeld zwischen Außenministerium und Bundeskanzleramt akkordiert worden.

Zu bilateralem Besuch "natürlich willkommen"

Die Entscheidung sei darin begründet, dass der türkische Minister "ausschließlich zum Zwecke eines öffentlichen Auftritts" hierherkommen wollte: "Es besteht Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich." Zu einem bilateralen Besuch wäre Zeybekci hingegen "natürlich willkommen", stand in der Aussendung des Außenministeriums.

Das Außenministerium betonte, dass Kurz den Putschversuch in der Türkei vom 15. Juli 2016 "sofort klar verurteilt (hatte) und dies weiterhin (tut)". Er verurteile gleichzeitig aber auch die Menschenrechtssituation in der Türkei, etwa "die massive Verhaftungs- und Entlassungswelle nach dem Putschversuch" bzw. die "massiven Einschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit".

Auftritt in Wien-Liesing geplant

Die Reaktion des Wirtschaftsministeriums in Ankara sorgte indes für etwas Verwirrung. Es teilte mit, der Minister habe eigentlich in Wien den Außen- und Wirtschaftsminister treffen wollen, "um die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich zu vertiefen". Dieser Wunsch sei aber der österreichischen Seite noch gar nicht mitgeteilt worden. Weiter hieß es: "Wir haben nicht beantragt, eine Veranstaltung zum 15. Juli organisieren." Die geplante Veranstaltung wird allerdings von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) Austria, einem in Österreich eingetragenen Verein, organisiert.

Zeybekci sollte am Sonntag im Rahmen einer Veranstaltung in Wien-Liesing über den Putschversuch vor einem Jahr in der Türkei sprechen. Der Minister habe den Putsch damals im Parlamentsgebäude in Ankara selbst miterlebt, heißt es von UETD. Die Vereinigung bezeichnete das Verbot als "undemokratisch". "Das ist eine rein populistische Haltung von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP, Anm.)", sagte UETD-Austria-Sprecher Ramazan Aktas am Montag. Die in mehreren europäischen Ländern vertretene UETD steht der türkischen Regierungspartei AKP nahe.

Mit der Gedenkveranstaltung "wollen wir zeigen, wie demokratisch die türkische Bevölkerung ist", betonte Aktas. Seit Monaten höre man nämlich in den hiesigen Medien, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ein "Diktator" sei oder dass die Türken bei dem Verfassungsreferendum im April für eine "Diktatur" gestimmt hätten.

Vor dem Jahrestag des Putschversuchs am kommenden Samstag waren am Sonntag mehr als eine Million begeisterte Anhänger von Oppositionschef Kemal Kiliçdaroğlu auf die Straße gegangen. Er war aus Protest gegen die Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan 420 Kilometer von Ankara nach Istanbul marschiert. Nach der Entlassung von 150.000 Beamten und der Inhaftierung von mehr als 50.000 Menschen seit dem Putschversuch des vergangenen Jahres spricht Kiliçdaroğlu mit seinem Ruf nach Gerechtigkeit vielen Türken aus der Seele.

(APA)

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