Der deutsche Justizminister Maas will keine Gipfeltreffen mehr in deutschen Großstädten. SPD-Chef Schulz gar nur noch Treffen in New York. Die Extremisten-Szene solle besser erfasst werden.
Schärfere Maßnahmen gegen Linksextreme und Streit zwischen Union und SPD über weitere Gipfel in Deutschland: Nach dem von Gewaltexzessen begleiteten G-20-Treffen in Hamburg hat die politische Aufarbeitung begonnen.
Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) sagte: "Es wird auch weiterhin in deutschen Großstädten solche Gipfel geben." Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) schloss dies dagegen aus. Politiker von Union und SPD forderten eine europäische Extremistendatei für Linksradikale.
Trotz der Verwüstungen und Hunderter Verletzter in der Hansestadt hatte Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits am Samstag die Auswahl des für seine radikale linke Szene bekannten Hamburg als Gipfelort verteidigt. De Maiziere bekräftigte am Montag: "Wir werden nicht zulassen, dass eine Gruppe radikaler Gewalttäter darüber bestimmen darf, ob, wann und wo Staats- und Regierungschefs zusammenkommen."
SPD will keinen Gipfel mehr in deutscher Großstadt
Der Koalitionspartner SPD verfolgt eine andere Linie: "In einer deutschen Großstadt wird nie wieder so ein Gipfel stattfinden", sagte der deutsche Justizminister Maas der "Bild". Parteichef Martin Schulz will die G-20 aus politischen Gründen stärker an die UNO in New York anbinden - auch räumlich: "Ich glaube, dass der G-20-Gipfel sicher auch in der Nähe der Vereinten Nationen stattfinden sollte", sagte er auf seiner Sommerreise in Bayern.
An den verheerenden Krawallen hatten sich auch zahlreiche Täter aus dem Ausland beteiligt: De Maiziere sprach von einer "mittleren dreistelligen Größenordnung". Allerdings seien - wegen der eigens eingerichteten Grenzkontrollen - auch "Hunderte" Menschen an der Einreise gehindert worden.
Um den Krawalltourismus besser in den Griff zu bekommen, plädierte Maas für eine europaweite Extremistendatei. Dies würde es den Behörden ermöglichen, "bei solchen Ereignissen einen besseren Überblick zu bekommen und Leute an den Grenzen abzuweisen", sagte der Minister der "Bild".
Auch sein CDU-Kollege de Maiziere hält eine solche Datei grundsätzlich für sinnvoll. Die Staaten müssten sich allerdings auf die gleichen Kriterien verständigen, sagte er in Berlin. Die EU-Kommission zeigte sich grundsätzlich gesprächsbereit.
Bürgermeister lehnt Rücktritt ab
Der Hamburger G-20-Gipfel war von massiven Krawallen begleitet worden. Gewalttäter zündeten Autos an, lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei und plünderten Geschäfte. Es wurden knapp 500 Beamte und Dutzende Demonstranten verletzt. Der deswegen unter Druck stehende Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) lehnte einen Rücktritt aber ab.
Die Krawalle lösten eine Debatte über den Umgang mit dem Linksextremismus in Deutschland aus. De Maiziere nannte die Randalierer "verachtenswerte, gewalttätige Extremisten, genauso wie Neonazis es sind und islamistische Terroristen". CDU-Generalsekretär Peter Tauber forderte, die abgeschaffte umstrittene Extremismusklausel wieder einzuführen. Demnach müssten Initiativen gegen Rechts ein schriftliches Bekenntnis zum Grundgesetz ablegen, ehe sie Geld vom Staat bekommen.
Die Linke wiederum übte Kritik an der Polizeistrategie in Hamburg - bekräftigte aber ihre Distanzierung von der Gewalt. "Wer Autos anzündet, Supermärkte plündert und Polizisten angreift, drückt keinen Protest aus", sagte Parteichef Bernd Riexinger am Montag.
Forderungen nach Schließung der Roten Flora
Unterdessen mehrten sich auch die Forderungen, das Schließen linksautonomer Zentren wie der Roten Flora in Hamburg zu prüfen. Der deutsche Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) sagte der "Bild": "Wir dürfen keine rechtsfreien Räume dulden." Ein Sprecher des deutschen Innenministeriums wies aber darauf hin, dass dies Sache der jeweiligen Länder sei.
Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen sitzen nach Angaben der Hamburger Staatsanwaltschaft 51 Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Einem 27-jährigen Deutschen werde versuchter Mord vorgeworfen. Er soll mit einem Lasergerät den Piloten eines Polizeihubschraubers gezielt geblendet haben. Dabei soll er sogar den möglichen Absturz des Helikopters in Kauf genommen haben.
(APA/Reuters)