Türkischer Oppositionsführer traf inhaftierten Abgeordneten

Kemal Kilicdaroglu konnte mit seinem "Marsch für Gerechtigkeit" viele Menschen zum Protest gegen den türkischen Präsidenten Erdogan bewegen.
Kemal Kilicdaroglu konnte mit seinem "Marsch für Gerechtigkeit" viele Menschen zum Protest gegen den türkischen Präsidenten Erdogan bewegen.REUTERS
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CHP-Chef Kilicdaroglu hatte mit seinem "Marsch für Gerechtigkeit" gegen die Festnahme von Enis Berberoglu protestiert, der wegen eines Zeitungsartikels in Haft sitzt.

Einen Tag nach dem Abschluss seines "Marschs für Gerechtigkeit" hat der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu einen inhaftierten Parteifreund im Gefängnis besucht. Die Festnahme des Abgeordneten Enis Berberoglu am 14. Juni war der Auslöser für den CHP-Vorsitzenden gewesen, seinen Protestmarsch von Ankara nach Istanbul zu beginnen.

Am Montag nun traf er Berbergoglu im Istanbuler Gefängnis Maltepe, wie ein CHP-Sprecher sagte. Der CHP-Abgeordnete und frühere Journalist Berberoglu war von einem Istanbuler Gericht wegen eines Artikels über geheime Waffenlieferungen an islamistische Rebellen in Syrien zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Kilicdaroglus 420 Kilometer langer "Marsch für Gerechtigkeit" endete am Sonntag nach drei Wochen mit einer Massenkundgebung in Istanbul.

"Beeindruckender" Protest

Mehrere hunderttausend Menschen kamen zu der Versammlung in Maltepe, die damit der größte Protest gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan seit Jahren war. Berberoglu habe den Marsch "beeindruckend" gefunden und Kilicdaroglu gedankt, sagte der CHP-Sprecher am Montag. Berberoglu schreibe im Gefängnis ein Buch, sagte der Parteisprecher, äußerte sich aber nicht zu dessen Inhalt.

"Menschen, die nichts Falsches getan und keine Verbindung zum Terror haben, die zu Unrecht beschuldigt und ins Gefängnis geworfen werden, verletzten das Gewissen der Gesellschaft", sagte Kilicdaroglu nach dem Besuch bei Berberoglu laut türkischen Medien. "Enis ist einer dieser Menschen."

Erdogan rückt Kilicdaroglu in "Terroristen"-Nähe

Kilicdaroglu hatte auf der Kundgebung am Sonntag die Freilassung aller inhaftierter Abgeordneten und Journalisten, die Wiedereinstellung entlassener Wissenschaftler, das Ende des Ausnahmezustands, die Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Justiz und die Rücknahme der Verfassungsreform zur Einführung eines Präsidialsystems gefordert.

Regierungspolitiker hatten zunächst mit Spott auf den Marsch reagiert, doch als er immer größer wurde, warf Erdogan Kilicdaroglu vor, damit "Terroristen" zu unterstützen. Am Ende ließ er die Opposition aber gewähren. Erdogan äußerte sich am Montag zunächst nicht zu der Großkundgebung vom Vortag, die auch von der regierungstreuen Presse weitgehend ignoriert wurde.

(APA/AFP)

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