Audi-„Kronzeuge“ will mit Staatsanwaltschaft kooperieren

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Jetzt hat der Skandal um manipulierte Dieselmotoren bei VW eine neue Dimension erreicht. Ein verhafteter Manager packt aus.

München. Große Wirtschaftskriminalfälle weisen sehr oft dieselben Muster auf. Die wahren Ausmaße werden erst dann bekannt, wenn es den Ermittlern gelingt, einen „Kronzeugen“ zu finden. So war es beim Korruptionsskandal bei Siemens, bei den Finanzskandalen diverser Großbanken, und so scheint es nun auch beim Abgasskandal im deutschen Volkswagen-Konzern zu sein.

Vergangene Woche war bekannt geworden, dass ein früherer Motorenentwickler von Audi verhaftet worden ist. Es handelt sich um den 60-jährigen Italiener Giovanni P. In Gewahrsam ist er bereits Anfang vergangener Woche genommen worden. Nun hat sich erstmals sein Anwalt zur Affäre geäußert. Zur „Süddeutschen Zeitung“ sagte Anwalt Walter Lechner: „Mein Mandant sagt aus. Er kooperiert mit der Staatsanwaltschaft, um seinen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts zu leisten.“

Das klingt nach der „rauchenden Pistole“, wie es im Ermittlerjargon heißt. Giovanni P. könnte also jener Mann sein, der der Staatsanwaltschaft jene Fragen beantwortet, die nur ein Insider beantworten kann. Etwa: Ab wann hat die Konzernspitze bei VW von den Manipulationen bei den Abgasdaten gewusst? Immerhin ermitteln die deutschen Behörden längst auch gegen den früherern VW-Vorstandschef Martin Winterkorn. Dieser wiederum wird von mehreren ehemaligen Mitarbeitern belastet. Winterkorn soll zwei Monate, bevor die Manipulationen bekannt wurden, über eine sogenannte Schummelsoftware informiert worden sein. Der Topmanager weist diese Anschuldigungen zurück.

Es geht also um die Frage: Wer ist für die Missstände beim größten deutschen Autobauer verantwortlich? Taten es übereifrige Techniker wie Giovanni P. mit oder ohne Wissen und Duldung des Topmanagements?

„Fest steht jedenfalls, dass mein Mandant nicht die unternehmenspolitischen Entscheidungen hierfür treffen konnte und auch nicht getroffen hat“, sagte Giovanni P.s Anwalt. P. sitzt in München in Untersuchungshaft, weil laut Staatsanwaltschaft akute Fluchtgefahr besteht.

Dem Italiener wird Betrug und unlautere Werbung vorgeworfen. Laut Staatsanwaltschaft München wird auch gegen andere Beschuldigte bei Audi ermittelt. Aktuelle oder frühere Vorstandsmitglieder seien aber nicht dabei. Auch die amerikanische Justiz interessiert sich für den früheren Audi-Motorenentwickler. Gegen Giovanni P. wurde wegen des Verdachts der Verschwörung zum Betrug und Verstöße gegen US-Umweltrecht Strafanzeige beim zuständigen Gericht in Detroit (US-Staat Michigan) gestellt. Das teilte das US-Justizministerium vorige Woche in Washington mit.

Ermittlungen gegen Porsche

Der 60-Jährige soll von 2006 bis November 2015 ein Audi-Team von Ingenieuren geleitet haben, das für die Abgaskontrollsysteme der Modelle für den US-Markt zuständig war. In diesen Zeitraum fällt laut US-Ermittlern die systematische Manipulation von Emissionswerten des Schadstoffs Stickoxid mittels einer speziellen Software zum Austricksen von Abgastests. VW räumte die Manipulationen nach Vorwürfen der US-Umweltbehörden im September 2015 ein und musste bereits 22,6 Milliarden Euro an Rechtskosten zur Beilegung von Klagen in Nordamerika wegen der Affäre verbuchen.

Auch die VW-Tochter Porsche ist im Visier der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Auch hier geht es um Manipulationen an Dieselfahrzeugen. Porsche bezieht seine Dieselantriebe übrigens von Audi – etwa für das Modell Cayenne. (red., ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2017)

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