Außenminister Kurz verbietet die Einreise von Wirtschaftsminister Zeybekçi. Zum Gedenken an die Putschnacht plant die regierungsnahe UETD Auftritte in mehreren europäischen Ländern.
Wien/Ankara. Die ohnehin schwer getrübte Stimmung zwischen der Türkei und mehreren europäischen Ländern verschlechtert sich im Vorfeld des Putschjahrestages am 15. und 16. Juli weiter: In Gedenken an die blutige Nacht und den gescheiterten Coup in der Türkei hat die Union of European Turkish Democrats (UETD) Veranstaltungen in mehreren europäischen Städten angekündigt. Dabei sollte auch der türkische Wirtschaftsminister, Nihat Zeybekçi, am kommenden Sonntag, dem 16. Juli, in Wien auftreten. Außenminister Sebastian Kurz untersagte jedoch den Besuch: „Es besteht Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich“, hieß es aus seinem Büro. Darüber hinaus komme Zeybekçi als Minister ausschließlich für diesen Auftritt; würde er jedoch zu einem offiziellen, bilateralen Besuch kommen, sei er in Österreich willkommen.
Die UETD, die der Regierungspartei AKP nahesteht, verurteilte die Wiener Entscheidung als „undemokratisch“ und „populistisch“. Dem österreichischen UETD-Sprecher Ramazan Aktaş zufolge haben zwölf Betreiber von Lokalen und Veranstaltungsräumlichkeiten abgesagt, da sie entweder nicht mit der AKP in Verbindung gebracht werden wollten oder die Medienberichte fürchteten. Der Gedenkabend findet nun in einem Eventcenter in Wien Liesing statt – mit oder ohne Minister. Erwartet werden einige Hundert Besucher. Zeybekçi selbst weilte im Iran und eröffnete dort die erste türkische Außenhandelskammer, als die Meldungen aus Österreich Verbreitung fanden. Über sein Ministerium ließ er verlauten, dass er ohnehin nicht vorhatte, nach Wien zu kommen: Derzeit arbeite man an einer Erweiterung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und der Türkei – und habe daher die Anfrage der UETD noch nicht bearbeitet. Zudem müsse der Minister keine Erlaubnis einholen, um mit Landsleuten zusammenzukommen.
Keine Szenen wie im März
Während Bundeskanzler Christian Kern die Entscheidung von Kurz unterstützte („Hier geht es darum, dass die türkische Regierung und ihr Präsident politischen Einfluss in Österreich ausüben wollen. Das geht nicht“), hat das Außenministerium in Ankara das Einreiseverbot verurteilt; Ministeriumssprecher Hüseyin Müftüoğlu sagte, dass Österreich die Einhaltung der demokratischen Rechte nicht ernst nehme. Regierungsnahen Kommentatoren stößt es sauer auf, dass die türkische Opposition sehr wohl in Österreich öffentlich auftreten dürfe.
So fand am Samstag in Wien, parallel zu dem „Marsch für Gerechtigkeit“ der kemalistischen CHP in Istanbul, ebenfalls eine Kundgebung statt. In Europa hingegen sorgt die massive Entlassungs- und Verhaftungswelle seit dem gescheiterten Coup für scharfe Kritik, was – neben diversen Wahlkämpfen – wohl auch ein Grund für die gehäuften Auftrittsverbote der vergangenen Monate ist.
Nun sind die Putschgedenkveranstaltungen der UETD nicht nur in Österreich umstritten. So hat die niederländische Regierung den geplanten Besuch von Tuğrul Türkeş untersagt – der Vizeregierungschef sollte am heutigen Dienstag in der Stadt Apeldoorn auftreten. Den Haag begründete die Entscheidung unter anderem damit, dass sich Szenen wie im März nicht wiederholen sollen. Damals haben die Behörden der türkischen Familienministerin, Betül Sayan Kaya, die mit dem Auto von Deutschland die niederländische Grenze überquert hat, die Einfahrt in das türkische Konsulat in Rotterdam verweigert. Zuvor haben die Niederlande Kaya keine Landeerlaubnis erteilt. Die AKP befand sich zu dem Zeitpunkt im Wahlkampfmodus, da das Referendum über eine Verfassungsänderung bevorstand. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat den Umbau der Türkei in eine Präsidialrepublik durchgesetzt.
Neben Apeldoorn und Wien sind Gedenkabende in Brüssel, Straßburg, London und Nürnberg geplant. Zur Veranstaltung in Bayern am 15. Juli will offenbar ein hochrangiger türkischer Politiker kommen. Das deutsche Auswärtige Amt hat lediglich bestätigt, dass ein Antrag vorliegt. Dem türkischen Präsidenten hat Berlin gerade erst eine Absage erteilt. Erdoğan war am Wochenende beim G20-Gipfel in Hamburg und wollte bei der Gelegenheit auch vor Anhängern auftreten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2017)