Experte: Innenpolitischer "Wettstreit" um härtere Haltung zur Türkei

APA/DPA/MARIUS BECKER
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Der Politologe Günay ortet hinter dem Einreiseverbot für den türkischen Wirtschaftsminister "Symbolpolitik". Es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben, Härte zu zeigen.

Das Einreiseverbot Österreichs für den türkischen Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci, der in Wien an einer Gedenkveranstaltung zum Putschversuch teilnehmen wollte, sieht Cengiz Günay vom Österreichischen Institut für Internationale Politik kritisch. "Es hätte sicher auch andere Möglichkeiten gegeben, als Härte zu zeigen", sagte er am Montagabend in der "ZiB2" des ORF-Fernsehens.

Das Einreiseverbot sei zwar einerseits "teilweise" zu recht erfolgt, wenn man sich an die gewalttätigen Szenen vor der türkischen Botschaft in Washington erinnere. Andererseits gebe es in Österreich fast einen "Wettstreit", welche der Parteien eine härtere Haltung zur Türkei und zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan einnehme.

Die türkische Regierung versuche zum ersten Jahrestag des gescheiterten Putschversuchs, einen "neuen nationalen Mythos" zu schreiben und ein neues Türkei-Bild mit Märtyrern zu schaffen, meinte Günay. Da spielten Auftritte von Regierungspolitikern im Ausland eine Rolle, auch weil man dadurch die wichtige Rolle über die Grenzen hinaus zeigen wolle.

Erdogan durch schlechte Wirtschaftslage geschwächt

Das Einreiseverbot nehme die türkische Regierung nun als Anlass, sich als Opfer darzustellen, wonach Europa die Türkei nicht wolle. Wenn man allerdings die Türen für solche Auftritte öffne, müsse man dann der Propaganda eines türkischen Ministers im Ausland für seine Regierung zuschauen. Und in Österreich sei die Haltung zur Türkei mittlerweile Innenpolitik geworden, so der Experte.

Auf beiden Seiten ortet Günay "Symbolpolitik": In Österreich werde versucht, ein Zeichen der Stärke gegenüber der eigenen Bevölkerung zu setzen. Doch auch für die türkische Regierung gehe es dabei mehr um Bilder und Symbole.

Der jüngste Protest der Opposition mit dem "Marsch für Gerechtigkeit" und der Abschlusskundgebung in Istanbul sei wegen der starken Beteiligung der Menschen ein "Alarmzeichen für die Regierung", sagte Günay. Das sei wohl erst der Startschuss für weitere Aktionen. Die Erdogan-Regierung sei durch die schlechte Wirtschaftslage geschwächt.

>>> Interview in der "ZIB2".

(APA)

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