Peking will letztes Fenster zu freiem Internet schließen

APA/AFP/JOHANNES EISELE
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Ab Februar 2018 sollen in der Volksrepublik VPN-Dienste, mit denen Nutzer die chinesische Webblockade umgehen können, völlig blockiert werden.

China will die Abschottung seiner Bürger vom globalen Internet vorantreiben: Ab 1. Februar 2018 sollen Internetdienste, mit denen die sogenannte Große Firewall, die chinesische Webblockade, umgangen werden kann, komplett gesperrt werden. Die chinesische Regierung habe dazu die drei staatlichen Telekommunikationsriesen China Mobile, China Unicom und China Telecom beordert, den Zugang ihrer Kunden zu den Tunnelverbindungen (virtuellen privaten Netzwerken, VPN) lahmzulegen, berichtet die Nachrichtenagentur "Bloomberg".

Millionen gerissene Internetnutzer und viele internationale Unternehmen in China nutzen kommerzielle VPN-Tunnel, um die Sperren der Zensur zu umgehen. Die chinesischen Internetkontrolleure zensieren nicht nur Tausende Seiten wie Google, Wikipedia und kritische Nachrichtenmedien wie die "New York Times". Auch soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, YouTube und seit kurzem auch Instagram sind in der Volksrepublik nicht zugänglich.

Seit mehr als zehn Jahren liefern sich VPN-Anbieter und Peking nun schon ein Katz- und Mausspiel: Stetig arbeiten die Zensurbehörden daran, auch die letzten Schlupflöcher für Anbieter zu schließen. Bereits im Jänner hatte die KP-Führung angekündigt, härter gegen VPN-Serviceanbieter mit Sitz in China vorzugehen: Sie müssen sich bei den Behörden registrieren lassen. Ausländische Unternehmen waren davon bisher ausgenommen. Inwiefern sie von der neuen Kampagne betroffen sein werden, ist noch unklar.

Kritiker sehen Einschränkung für Kreativität

Experten sehen das harte Durchgreifen in Verbindung mit dem 19. Parteikongress, der Ende dieses Jahres tagen wird. Das politische Treffen findet nur alle fünf Jahre statt und ist meist mit wichtigen Postenbesetzungen verbunden. So will auch Staats- und Parteichef Xi Jinping seine Macht für die nächste Regierungsperiode absichern. Die Deadline im Februar nächsten Jahres, könnte aber auch darauf hindeuten, dass die Kampagne länger andauern wird.

Die KP-Führung will mit den Maßnahmen den Austausch heikler Informationen und Meinungen unterbinden. Kritiker allerdings sehen darin einen Dämpfer für Innovation und Kreativität. Das harte Vorgehen gegen die VPN-Anbieter werde China über lange Zeit schaden, schreibt etwa die "South China Morning Post" in einem Kommentar. Kritik kam auch vom ehemaligen Kommunikationschef des Internetgiganten Baidu, Kaiser Kuo: "Das ist lächerlich", schrieb er in einem Kommentar auf Facebook. "Wenn sie so interessiert an Sicherheit und Stabilität sind, wie sie sagen, sollten sie den Zugang zu VPN nicht einschränken." Der Schritt werde sich negativ auf die Partei auswirken.

Berichte über Liu Xiaobo kontrolliert

In dem Land mit geschätzt 1,4 Milliarden Einwohnern ist die Überwachung des Internetverkehrs und der Aufbau einer undurchlässigen Firewall eine technisch herausragende Leistung. Der gesamte Datenstrom nach China verläuft über Knotenpunkte im Meer. Die Glasfaserkabel bildet damit die Schlüsselstelle für die Zensur.

Alle eingehenden Inhalte werden bei diesen Knotenpunkten von "Netzwerkschnüfflern" automatisch abgegriffen und kontrolliert. Bei entsprechendem Fund wird ein dreistufiger Prozess gestartet. Zuerst werden die als systemkritisch geltenden Seiten manipuliert. Das Ergebnis sieht der Nutzer sofort: Der Inhalt ist nicht erreichbar und eine Fehlermeldung erscheint, dass die Internetverbindung überprüft werden soll.

Die Überwachung endet aber nicht bei den gesperrten Seiten, auch freigegebene Inhalte unterstehen der ständigen Kontrolle. Sobald das System anschlägt, wird sofort die Verbindung unterbrochen. Sollte eine Webseite bei der Zensur bestehen, werden nur noch partielle Textpassagen eingeblendet.

Zuletzt erteilte Chinas Zensurbehörde Anweisungen über die Berichterstattung zu Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, der wegen seines schweren Krebsleidens frühzeitig aus der Haft entlassen wurde, an heimische Medien: Webseiten sollten nicht über den medizinischen Zustand des Oppositionellen berichten oder das Thema kommentieren. Lediglich einige englischsprachige Staatsmedien, die gezielt Chinas Stimme in der Welt verbreiten sollen, dürfen über den Fall berichten. So kursieren seit Anfang der Woche einige kurze Videos, die zwei ausländische Ärzte am Krankenbett des Autors zeigen und die Behandlung loben. 

>>> Bericht von "Bloomberg".

(maka/bagre)

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