Sobotka will Versammlungsrecht nach G20-Protesten nachschärfen

APA/EXPA/MICHAEL GRUBER
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Die Polizei mache ihre Arbeit nicht "aus Jux", sondern um den Staat als Ganzes zu beschützen, meint der Innenminister. Er kündigt einen Initiativantrag im Nationalrat an.

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) will beim Versammlungsrecht, das erst im Frühjahr erneuert worden war, weiter nachschärfen. Für Donnerstag kündigte er einen Initiativantrag im Nationalrat an. Anlass ist der Einsatz österreichischer Polizisten beim G-20-Gipfel in Hamburg, bei dem es bei Demonstrationen zu Ausschreitungen gekommen war.

Sobotka meinte, linksextremistischer "fast Terror" sei lange Zeit negiert worden. Aber: "Es kann nie sein, dass uns Linksextreme vorschreiben, wo wir Veranstaltungen abhalten." Der Minister betonte weiters: "Es geht nicht um die Frage des Verschärfens. Die Polizei macht ihre Arbeit nicht aus Jux und Tollerei, sondern um den Staat als Ganzes zu beschützen." Widerstand gegen die Staatsgewalt sei daher als Verbrechen und nicht als Kavaliersdelikt einzustufen.

Sobotka zog daher aus der Eskalation in Hamburg seine Schlüsse und forderte "Adaptierungen und Anpassungen" - von weiteren Verschärfungen des Versammlungsgesetzes will er dabei nicht sprechen. "Es geht um die Verantwortung des Staates", denn jene die "ehrlich demonstrieren und ihre Meinung artikulieren wollen", sollen dies tun können. "Mit Sicherheit" werde dies auch nicht die letzte Änderung sein, meinte der Minister angesichts neuer Herausforderungen.

Während etwa in der Bauordnung oder im Jugendschutz alles detailreich geregelt sei, lasse sich dort, wo es um das grundsätzliche Wesen des Staates geht, Rechtsstaatlichkeit nicht durchsetzen: "Wir sehen eklatante Lücken, die es zu schließen gilt."

Die Volkspartei wird laut ihrem Parlamentsklub aber keinen Alleingang im Parlament machen. Sobotka werde nun einmal auf Regierungsebene versuchen, eine Einigung zu erzielen, berichtete der "Standard" (Online-Ausgabe) unter Berufung auf den ÖVP-Klub.

Sobotka fordert mehr Infos für Demo-Anmeldungen

Ende April dieses Jahres wurden Neuerungen im Versammlungsrecht beschlossen, die unter anderem eine 48-stündige Frist für die Anmeldung, einen Mindestabstand zwischen rivalisierenden Kundgebungen sowie eine Erschwernis für die Teilnahme ausländischer Politiker enthielten. Sobotka fehlt nun noch eine "Legaldefinition des Versammlungsbegriffes", um Rechtssicherheit in der Abgrenzung etwa zum Veranstaltungsrecht zu schaffen.

Die Versammlungsanzeige soll künftig auch inhaltliche Infos enthalten und Aufschluss über Thema, Wegstrecke, Beginn und Dauer geben. Die neue Fassung soll laut Unterlage weiters die Untersagungs- und Auflösungsgründe vereinheitlichen. Spontanversammlungen werden weiterhin möglich sein, wird betont.

Der Leiter der Versammlung soll außerdem für die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Beachtung der gesetzlichen Vorgaben zuständig soll. Er soll ein "klarer Ansprechpartner" für die Behörden sein und bei "vorwerfbarem Fehlverhalten" rechtliche Verantwortung übernehmen.

Mit dem neuen Gesetz sollen auch die Befugnisse der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes - Angehörige der Bundespolizei, der Stadtpolizei, Polizeijuristen, Verwaltungsbedienstete mit polizeilicher Befehls- und Zwangsgewalt, definiert und Strafbestimmungen geregelt werden.

Wega-Chef: "Wir waren an vorderster Front"

Vergangene Woche waren 215 Polizisten aus Österreich beim G20-Gipfel in Hamburg im Einsatz. Darunter waren 74 Polizisten der Wega und 20 Beamte des Einsatzkommandos Cobra. Fünf Beamte seien bei ihren Einsätzen im Schanzenviertel und am Flughafen verletzt worden, berichtete Ernst Albrecht, Kommandant der Sondereinheit Wega, am Dienstag. Es hätten bürgerkriegsähnliche Zustände geherrscht.

"Ab 6. waren wir an vorderster Front bei der als problematisch eingestuften Demo", erklärte Albrecht mit Verweis auch auf die "Welcome to Hell"-Demo. Die Räumung des Schanzenviertels etwa dauerte bis 4 Uhr Früh, man blieb bis 7. im Einsatz ohne einer Minute Schlaf. "Der 7. war der schlimmste Tag", es habe Brandstiftung und Plünderungen gegeben. Die Angriffe auf die Einsatzkräfte seien massiv geworden.

Albrecht schildert etwa, dass auf Dächern Betonplatten zum Runterwerfen vorbereitet worden seien, auch von Molotow-Cocktails war die Rede. Die Kollegen der Cobra mussten daher die Hausdächer sichern. Was das Werfen von Pflastersteinen betrifft, habe man "eine neue Qualität" erreicht, denn hinter Barrikaden seien Steine für Werfer vorbereitet worden: "Da wurde arbeitsteilig vorgegangen", berichtet Albrecht weiter. "Mir fällt kein anderer Begriff als bürgerkriegsähnliche Szenarien ein", so der Wega-Kommandant.

Sobotka bedankt sich bei Polizei

"Das war ein sehr schwieriger Einsatz", aus dem man aber auch viel an Erfahrung mitgenommen habe, resümierte er. Durch Angriffe seien etwa Funkgeräte zerstört worden, man will daher auch wieder mit Handzeichen untereinander kommunizieren, nannte Albrecht ein Beispiel. Laut seinen Angaben habe das halbe Kontingent Blessuren wie Prellungen und Schürfwunden erlitten, auch ein Treffer auf den Kopf wurde verzeichnet. Fünf Polizisten der Wega wurden bei dem Einsatz leicht verletzt.

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) bedankte sich bei den Polizeieinheiten für ihre Arbeit. Der Einsatz habe gezeigt, dass die Ausbildung der österreichischen Polizisten hervorragend ist, hier werde man daher weiter Top-Maßstäbe anlegen und immer wieder nachjustieren. Der Mannschaftsstand soll auch nach 2018 weiter ausgebaut werden, um die Bedürfnisse der Basis und der Spezialeinheiten abzudecken.

(APA)

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