Medienpolitik

ORF-Stiftungsrat Lederer: "Die Alarmsignale sind da"

Heinz Lederer, einst Kommunikationschef der SPÖ, heute PR-Berater und SPÖ-Vertreter im ORF-Stiftungsrat.
Heinz Lederer, einst Kommunikationschef der SPÖ, heute PR-Berater und SPÖ-Vertreter im ORF-Stiftungsrat.Herbert Neubauer
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Heinz Lederer ist seit 1. Juni neuer roter Chef im ORF-Aufsichtsgremium. Er will von TV-Direktorin Kathrin Zechner Strategien gegen das Quotentief und hält einen gesellschaftlichen Diskurs über die Haushaltsabgabe und eine Gremien-Reform für notwendig.

Anfang Juli kam die schlechte Nachricht: Die Hauptsender des ORF – ORF eins und ORF 2 – waren im Juli erstmals unter die 30-Prozent-Marke gerutscht. Auf zusammen 29,8 Prozent Marktanteil. Das Minus ging vor allem zu Lasten von ORF eins, das bei 9,6 Prozent landete – um 7,8 Prozent weniger als im Juni des Vorjahres, wo allerdings die Fußball-EM für Quoten sorgte. „Die Alarmsignale sind da. Jetzt erwarte ich mir, dass Programmdirektorin Kathrin Zechner etwas Neues vorschlägt. Sie muss mir zeigen, was sie vor hat“, sagt Heinz Lederer, seit 1. Juni Sprecher des SPÖ-Freundeskreises im Stiftungsrat, im „Presse“-Gespräch. Er erwarte das so schnell wie möglich. „Die Quoten werden im Sommer ja nicht besser.“ Auch wenn die „Sommergespräche“ und die Wahlberichterstattung für etwas Besserung sorgen dürften. „Zechner soll sagen, wie sie das Quotentief von ORF eins bewältigen will.“

Reden will Lederer im Interview auch über die Transformer-Gruppe, jene Arbeitsgruppe des ORF, die beauftragt ist, die Abläufe zu prüfen und Sparpotenziale ausfindig zu machen. Er lobt. Es gehe „um Sparen ohne Qualitätsverlust im Programm“. Er werde dem im nächsten Stiftungsrat Mitte September besondere Aufmerksamkeit widmen. „Freilich könnte man ganze Sendeformate oder Sportübertragungen streichen – aber die Frage ist dann: Wozu zahlt man Gebühren?“, sagt er. Rechtehandel, Streaming-Dienste – „die Schlacht wird immer härter“. Deshalb müsse die Bundesregierung schauen, dass auch Google, Facebook und Co. „ihren Beitrag in Österreich leisten“ und die Wertschöpfung nicht komplett ins Ausland gehe.
Was den ORF betrifft, so müsse dieser die Regionalität noch stärker betonen, gleichzeitig auch die Mobilität stärken und das bei sparsamstem Einsatz der Mittel, etwa indem das mobile Studio für mehrere Sendungen der derzeit in Entwicklung befindlichen neuen Daytime von ORF 2 verwendet wird. Auch bei der Technik – traditionell ein Ort des Widerstandes gegen Sparprogramme im ORF – sehe er Möglichkeiten: „Es gibt selbststeuerbare Studios, bei denen der Moderator vieles selber macht. Die sind international im Kommen – und es gibt Sendeformate, da braucht man nicht so riesige Qualität“, ist Lederer überzeugt.

Inhaltlich ist User Generated Content für Lederer ein Thema – wie die Call-in-Sendungen auf Ö3: „Das schafft Regionalität, Betroffenheit, bindet die Hörer und Seher ... und ist billig.“ Gleichzeitig könne man mit regionalen Formaten auch regionale Sponsoren ansprechen – und so neue Einnahmequellen erschließen. Auch das will er zur Sprache bringen. „Wir haften schließlich als Stiftungsräte dafür, dass es dem ORF gut geht.“ Nicht zu vergessen die Digitalisierung. Der ORF brauche Apps, die das Publikum durch die Möglichkeit der Interaktion stärker an das Unternehmen binden, sagt Lederer – daran arbeitet in der Transformergruppe Onlinedirektor Thomas Prantner. Lederer hofft außerdem auf eine umfangreiche Content-Partnerschaft des ORF mit den Verlegern. „Man wird beim Thema Digitalisierung mit dem Verband Österreichischer Zeitungen reden müssen.“

"Im Stiftungsrat sind wir schon sehr viele" 

Auf die heimischen Privatsender ist Lederer hingegen nicht so gut zu sprechen, die jüngst ein Weißbuch mit Reformvorschlägen vorgelegt haben, das ORF-General Alexander Wrabetz in einem „TV-Media“-Interview als „medialen Putschversuch“ kritisierte. Lederer findet, die Privatsender würden versuchen, sich die Rosinen aus dem Kuchen zu holen. Wrabetz hat unter anderm klar gestellt, dass er sich keine Haushaltsabgabe wünscht, von deren Mitteln auch die Privaten profitieren. „Wir brauchen einen gesellschaftlichen Diskurs über die Gebühren oder die Haushaltsabgabe“, sagt Lederer. „Die neue Regierung muss auch überlegen, wer die Gebühr festsetzt. Auch dazu braucht es einen öffentlichen Diskurs.“

Und nicht zuletzt werde man darüber nachdenken müssen, wie die Gremien auszuschauen haben: „Im Stiftungsrat sind wir schon sehr viele. Da ist es oft schwierig mit einem Konsens.“ Man könne aber auch anders denken – und das Gremium groß belassen, dafür mit mehr Verantwortung ausstatten. Lederer wünscht sich ein „vernünftiges Modell“ und ein „handlungsfähigeres“ Gremium. Leid tut es ihm um die letztlich abgesagte ORF-Enquete von Medienminister Thomas Drozda (SPÖ): „Man muss diskutieren, wer ist aller am österreichischen Medienmarkt für Qualität und Identität zuständig. Und da gehören natürlich auch die Printmedien und die Presseförderung dazu.“

Zur Person:

Heinz Lederer, (geb. 1963) war unter anderem Werbeleiter und Kommunikationschef der SPÖ - gemeinsam mit Josef Kalina und Andreas Rudas erlangte er in den Neunzigern Bekanntheit als Spin-Doctor. Nach der schwarz-blauen Wende zog es ihn in die Privatwirtschaft, unter anderem zur Libro-Tochter lion.cc, die er in den Ausgleich führte, ehe er eine eigene PR-Agentur gründete. Lederer ist verwitwet und hat zwei Söhne.

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