Nach dem Tod des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo wächst die Sorge um seine Frau. Peking weist internationale Kritik brüsk zurück.
Peking. Bis zum letzten Atemzug stand an der Seite ihres Mannes. „Hab' noch ein gutes Leben“, sollen die letzten Worte des chinesischen Regimekritikers und Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo an seine Frau gewesen sein, berichtet sein Arzt Teng Yue'e. Liu habe keine Schmerzen gehabt, als er starb, versicherte Teng. „Als wir ihn sahen, wirkte er in Frieden mit sich selbst.“ Was seitdem mit Liu Xia geschehen ist, konnte der Arzt nicht beantworten. „Wir haben keinen Kontakt mehr mit ihr“, sagte ein befreundeter Anwalt. „Wir machen uns Sorgen.“
Einen Tag nach dem Tod des Literaten und Bürgerrechtlers Liu Xiaobo forderten weltweit führende Politiker Chinas Führung auf, seine Witwe Liu Xia ausreisen zu lassen. „Ich rufe Chinas Regierung dazu auf, Liu Xia aus dem Hausarrest zu entlassen und ihr zu erlauben, China zu verlassen“, sagte US-Außenminister Rex Tillerson. „Sie und ihr Bruder Liu Hui sollten nach Deutschland oder ein anderes Land ihrer Wahl ausreisen dürfen“, forderte Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel.
Chinas bekanntester Dissident war am Donnerstag im Alter von 61 Jahren an Organversagen gestorben. Liu befand sich zuletzt in einem schwer bewachten Spital in der nordostchinesischen Stadt Shenyang. China hatte ihn 2009 zu elfjähriger Strafe wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ verurteilt. Liu hatte sich sein Leben lang für Demokratie und Menschenrechte in seinem Land eingesetzt. 2010 erhielt er den Friedensnobelpreis.
Ende Juni gab Peking bekannt, dass Liu unheilbar an Leberkrebs erkrankt sei und deswegen in ein Krankenhaus eingeliefert werde. Die USA und Deutschland hatten sich dafür eingesetzt, dass er mit seiner Frau zur Behandlung nach Heidelberg ausreisen darf. Die KP-Führung kam dieser Bitte nicht nach, mit der Begründung, er sei nicht transportfähig. Das Nobelkomitee gab China die Schuld am Tod Lius: Schlechte Haftbedingungen und eine verzögerte Behandlung hätten die Krankheit verschlimmert. London und Paris kritisierten China in ähnlicher Weise.
Das KP-Regime wies diese Kritik scharf zurück. Diese Staaten „sollten Chinas Justiz und Souveränität respektieren“, wetterte Außenamtssprecher Geng Shuang. In einem Leitartikel der KP-treuen „Global Times“ hieß es: „Kräfte im Ausland“ würden den Fall Liu Xiaobo dafür missbrauchen, um „ihr Image zu stärken und China zu dämonisieren“. Liu nannte er einen „Verbrecher“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2017)