Das Leben in der Türkei ein Jahr nach dem Putsch: Junge Künstler in Istanbul stemmen sich gegen den neuen Alltag der Repressionen, im dem Recht und Gesetz zu Treibsand geworden sind.
Ayça Telgeren saß mit Freunden in Istanbul bei Whisky und einer Käseplatte, als Soldaten am 15. Juli vergangenen Jahres die Bosporusbrücke besetzten. Ungläubig verfolgten die Malerin und ihre Freunde die ersten Meldungen vom Putschversuch. Erst als Kampfjets im Tiefflug über sie hinwegrasten und Scheinangriffe auf die Stadt flogen, wurde ihnen der Ernst der Lage bewusst.
Ayça schlief in dieser Nacht nicht, und als die Sonne aufging, holte sie ihre Reisetasche heraus und begann zu packen: Raus aus der Türkei! „Doch dann fiel mir ein, dass mein Reisepass seit zwei Monaten abgelaufen war und dass ich nicht genug Geld hatte, um anderswo neu anzufangen“, erinnert sich die 42-Jährige. „Ich dachte an all die halb fertigen Werke in meinem Atelier – und da wurde mir klar, dass ich bleiben würde.“ Eine ungeheure Verzweiflung habe sie da ergriffen, erzählt Ayça.