Kunst

Als die Bilder lernten, über Schicksale zu singen

William Kentridge vor seinen Skizzen für die Salzburger „Wozzeck“-Produktion.
William Kentridge vor seinen Skizzen für die Salzburger „Wozzeck“-Produktion.(c) MARC SHOUL
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Shirin Neshat und William Kentridge erneuern diesen Sommer bei den Salzburger Festspielen die lange Tradition der Verschmelzung der Kunstformen.

Durchaus politisch versteht sich die persische Künstlerin Shirin Neshat, die Salzburgs neuer Festspiel-Intendant Markus Hinterhäuser als Regisseurin und Ausstatterin für Verdis „Aida“ gewählt hat. Hinterhäuser musste dabei Rücksicht auf den Dirigenten Riccardo Muti nehmen, der als wählerisch gilt, was die szenische Seite der von ihm einstudierten Produktionen gilt. Salzburg hat er im Streit mit einem Regie-Team schon einmal vor einer Mozart-Premiere verlassen . . .

(c) Salzburger Festspiele

Doch Muti war von der Begegnung mit Shirin Neshats Kunst begeistert und fand starke Bezüge zur Handlung von Verdis ägyptischer Oper. Die in New York lebende Neshat hat bereits in den frühen Neunzigerjahren in einem Foto-Zyklus das Verhältnis zwischen dem islamischen Fundamentalismus und den Frauen hinterfragt. Als Regisseurin betätigte sie sich vor allem hinter den Kameras. 2006 drehte sie ihren ersten Spielfilm, „Women Without Men“, der bei den Festspielen von Venedig mit dem Silbernen Löwen ausgezeichnet wurde. Mit dem Land am Nil hat Neshats jüngster Film zu tun, das vor Kurzem fertig gedrehte Porträt der ägyptischen Sängerin Umm Kulthum.


Die „armen Leut'“. Premiere von „Aida“ mit Anna Netrebko in der Titelpartie ist am 6. August im Großen Festspielhaus. Zwei Tage später folgt im kleinen Haus Alban Bergs „Wozzeck“, dirigiert von Vladimir Jurowski, inszeniert und ausgestattet von William Kentridge, mit dem den Intendanten schon eine längere künstlerische Beziehung verbindet. Gemeinsam mit Matthias Goerne präsentierten Hinterhäuser als Pianist und Kentridge als Gestalter einer Video-Installation eine illustrierte Version von Franz Schuberts „Winterreise“ bei den Wiener Festwochen 2014. Goerne ist in der Neuinszenierung des „Wozzeck“ nun der Titelheld.

Auch Kentridges Arbeit versteht sich als hoch politisch – groß geworden in Südafrika in der Zeit der strikten Apartheid, thematisiert der Künstler sozialpolitische Anliegen in unterschiedlichsten Facetten – was für die Beschäftigung mit dem „Wozzeck“, dem tragischen Hohelied der „armen Leut'“, einen guten künstlerischen Nährboden abgeben könnte. William Kentridge hat bereits mehrfach mit dem Musiktheater zu tun gehabt. Schon in den Neunzigerjahren inszenierte er Mozarts „Zauberflöte“, eine Produktion, die in Brüssel, Aix und Mailand gezeigt wurde. An der New Yorker Met kam Bergs „Lulu“ in seiner Ausstattung heraus, sowie in Koproduktion mit Lyon Schostakowitschs bitterböse Gogol-Satire „Die Nase“.

Parallel zur Salzburger Präsenz des Künstlers zeigt das Museum am Mönchsberg eine Werkschau, „Thick Time. Installationen und Inszenierungen“, die am 29. Juli eröffnet wird und bis 5. November zu besichtigen sein wird.

Für die Salzburger Festspiele bedeutet die konsequente Einbindung Bildender Künstler in die theatralischen Produktionen eine Wiederaufnahme historischer Gepflogenheiten. Schon Festspiel-Gründer Max Reinhardt setzte auf die Mitarbeit des Architekten Clemens Holzmeister, der über die Jahrzehnte hin nicht nur für den Bau beider Festspielhäuser herangezogen wurde, sondern auch für die Ausstattung der ersten im heutigen „Haus für Mozart“, dem alten Festspielhaus, gezeigten Opern-Inszenierung, „Fidelio“, im Jahr 1927. Legendär ist Holzmeisters „Faust“-Stadt für Reinhardts Goethe-Projekt in der Felsenreitschule.

Dort hatte 1955 unter Georg Soltis Leitung auch Mozarts „Zauberflöte“ in einer prächtigen Ausstattung von Oskar Kokoschka Premiere. Fritz Wotruba folgte 1965 mit der Ausstattung für die sophokleische „Oedipus“-Trilogie, Eduardo Arroyo stattete 1992 Janáčeks „Totenhaus“ aus, Robert Longo 1993 Mozarts „Lucio Silla“ und Jörg Immendorf 1994 Strawinskys „Rake's Progress“. 2006 entwarf Karel Appel die Bühnenbilder für Mozarts „Zauberflöte“. Mit Rebecca Horn übernahm 2008 bei Sciarrinos „Luci mie traditrici“ erstmals eine Bildende Künstlerin auch die Regie-Agenden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2017)

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