Der Traum der Rebellen vom „Kleinen Russland“

Kriegsschauplatz Ostukraine. Derzeit herrscht eine Waffenruhe zwischen ukrainischen Regierungstruppen und Separatisten. Sie wird aber immer wieder verletzt.
Kriegsschauplatz Ostukraine. Derzeit herrscht eine Waffenruhe zwischen ukrainischen Regierungstruppen und Separatisten. Sie wird aber immer wieder verletzt.REUTERS
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Die Separatisten im Osten des Landes wollen die Ukraine durch einen neuen Staat mit dem Namen „Kleines Russland“ ersetzen. Die Regierung in Kiew sieht das als Provokation.

Donezk/Kiew. Es war eine völlig überraschende Ankündigung, die Spannungen in der Ukraine weiter zu verschärfen droht. Die prorussischen Rebellen im Osten des Landes gaben am Dienstag bekannt, einen neuen Staat gründen zu wollen. Nach einer Volksbefragung werde dieser neue Staat die Ukraine ersetzen und die bisherige Hauptstadt Kiew in sein Territorium integrieren, hieß es in einer am Dienstag von Rebellenanführer Alexander Sachartschenko veröffentlichten Verfassungsschrift.

Die Vertreter der selbsternannten Volksrepubliken im Osten der Ukraine hätten „der Gründung eines neuen Staates als Nachfolger der Ukraine“ zugestimmt, sagte Sachartschenko. Die bisherige Hauptstadt Kiew soll in dem neuen Gebilde nur noch den Status eines „historischen und kulturellen Zentrums“ innehaben.

Zur neuen Hauptstadt wollen die Separatisten die von ihnen kontrollierte Stadt Donezk im Osten des Landes machen. Und auch einen neuen Staatsnamen haben sie schon parat: „Kleines Russland“ (Malorossia) – in Anlehnung an einen Begriff aus der Zarenzeit zur Bezeichnung des ukrainischen Gebietes. Umsetzen können sie dieses Projekt wohl kaum. Doch der Vorstoß gießt weiter Öl ins Feuer des Ukrainekonfliktes.

„Eine Marionette des Kreml“

Wenig überraschend kam am Dienstag auch massive Kritik der Regierung in Kiew. „Diese Ankündigung könnte den Verhandlungsprozess blockieren“, sagte Kiews Gesandter Jewgeni Martschuk, der die Zentralregierung in den Gesprächen mit den Rebellen vertritt.

Und auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko trat auf den Plan: „Sachartschenko ist keine politische Figur, sondern eine Marionette, die nur die Mitteilungen des Kremls überträgt“, donnerte Poroschenko während eines Staatsbesuches in Georgien. „Die Ukraine wird die Souveränität über den Donbass und die Krim wieder herstellen.“ Militärisch scheint das derzeit aber kaum möglich. Das würde Russland als Schutzherr der Separatisten nicht zulassen.

Seit dem Frühjahr 2014 gibt es im Osten der Ukraine heftige Gefechte zwischen den prorussischen Rebellen und ukrainischen Regierungssoldaten. Mehr als 10.000 Menschen wurden bisher in dem bewaffneten Konflikt getötet.

Die ukrainische Regierung verlor dabei die Kontrolle über die Halbinsel Krim und weitere Gebiete im Osten. Die Krim wurde mittlerweile von Russland nach einer international nicht anerkannten Volksabstimmung annektiert.

Das Gebiet im Donbass rund um die Städte Donezk und Luhansk befindet sich unter Kontrolle der Separatisten (siehe Grafik), die nun mit ihren Ideen zur Gründung des neuen Staates „Kleines Russland“ für Aufregung sorgen.

Eigentlich sollte derzeit zwischen den Separatisten und den ukrainischen Streitkräften eine Waffenruhe herrschen. Gegen das unter der Vermittlung von Deutschland und Frankreich 2015 ausgehandelte Friedensabkommen von Minsk wird aber immer wieder verstoßen.

Sanktionen gegen Moskau

Die ukrainische Regierung, die Regierung in Washington und viele europäische Länder werfen Russland vor, die Separatisten zu unterstützen. Moskau bestreitet dies aber. Die USA und die Europäische Union verhängten wegen des Konfliktes in der Ukraine eine Reihe von Strafmaßnahmen gegen Russland. (APA/dpa/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2017)

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