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Chester Bennington: Eine traurige Stimme ist gegangen

Bennington
Bennington(c) Imago/Scherf
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Der Sänger von Linkin Park, wichtiger Repräsentant des Nu Metal, wurde erhängt gefunden. Von ihm bleiben harte Hymnen der Verzweiflung.

Er fühle sich „stupid and contagious“, hatte Nirvana-Sänger Kurt Cobain 1991 gesungen, er sei nichts als ein „creep“, ein „weirdo“, erklärte im Jahr darauf Thom Yorke von Radiohead. In diese Rock-Tradition der bitteren Selbstbezichtigung reihte sich elf Jahre später Chester Bennington mit seiner Band Linkin Park im Song „Numb“: Er sei gelähmt, gefühllos, müde geworden, sang er zu schweren, nervöse Beats niederschlagenden Gitarren: „I'm tired of being what you want me to be, feeling so faithless.“

Eine tiefgraue Hymne der Verzweiflung, illustriert mit einem Video, in dem sich ein Mädchen das Wort „numb“ in den Arm ritzt. Sie wurde zum Hit der 1996 in Los Angeles (noch ohne Bennington, der kam erst 1999) gegründeten Band, die sich schon mit ihrem ersten Album „Hybrid Theory“ als kommerziell erfolgreiche Vertreterin des Nu Metal profilierte. Wie der zehn Jahre davor von Nirvana angeführte Grunge verzichtete dieses Genre – musikalisch aufgeladen durch das Cross-over mit Hip-Hop – auf altväterliche Insignien des Metal, auf nordische Mythen und satanische Verse und bezog seine Energie aus dem alten Gefühlsreservoir jeder Generation, die in ihren Zwanzigern steht: der Orientierungslosigkeit. „I am a little bit insecure, a little unconfident“, sang Bennington in „Faint“, und in „In The End“: „I tried so hard and got so far, but in the end it doesn't even matter.“

Lyrisches Unglück

Das lyrische Unglück war authentisch: Bennington, Sohn eines Polizisten und einer Krankenschwester, fühlte sich von seinen Eltern vernachlässigt, hasste sie, er erlebte sexuellen Missbrauch durch einen älteren Freund, konsumierte bald so gut wie alle Rauschmittel außer Heroin. Als er dann bei Linkin Park untergekommen war, fühlte er sich gleich nicht ganz dazugehörig, was seine Süchte förderte.

2013 stieg er bei einer zweiten Band ein, bei den Stone Temple Pilots, als Ersatz für den gekündigten Sänger Scott Weiland, der zwei Jahre später an einer Kombination aus Crack, Ecstasy und Alkohol sterben sollte. Ebenfalls 2015 verließ Bennington die Stone Temple Pilots wieder. Mitglied von Linkin Park war er die ganze Zeit geblieben, auch wenn er nicht alle der vielen Stiländerungen der Band goutierte.

„Why is everything so heavy?“

„One More Light“ hieß verhalten optimistisch das im Mai 2017 veröffentlichte jüngste Album, alte Nu-Metal-Fans kritisierten es als zu poppig, auch bei ihrem letzten Österreich-Auftritt beim Nova Rock (am 14. Juni 2017) wurden Linkin Park durchaus nicht umjubelt. Tatsächlich klangen ihre neuen Songs, skurrilerweise mit Autotune bearbeitet, unentschlossen. Textlich freilich war die (düstere) Botschaft geblieben: „I don't like my mind right now“, sang Bennington in „Heavy“ mit noch zerbrechlicherer Stimme als sonst und fragte: „Why is everything so heavy?“

Seelisch mitgenommen hatte ihn auch der Freitod einer Schlüsselfigur der Grunge-Generation, von Soundgarden-Sänger Chris Cornell. Bennington sang auf seinem Begräbnis Leonard Cohens „Hallelujah“. Just an Cornells Geburtstag, am 20. Juli, fand man Chester Bennington nun erhängt in seinem Haus in der Nähe von Los Angeles. Er hinterlässt sechs Kinder. Kollegen aller Rock-Generationen twitterten ihre Trauer.

Hilfe bei Suizidgefahr

Wer Selbstmordgedanken hat, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits das Sprechen über die Gedanken dabei, sie zumindest vorübergehend auszuräumen. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich an die Telefonseelsorge wenden: Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt Ärzte, Beratungsstellen oder Kliniken.

Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Depressionen betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Nummer: 142.

www.suizid-praevention.gv.at

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