Der Börse sind Paragraphen egal

Der Tiroler Finanzökonom Thomas Stöckl ist mit seiner experimentellen Forschung den ganz eigenen Gesetzen des Insiderhandels auf der Spur.

Das Ergebnis mag verblüffen, aber das Verbot von Handel durch Insider, also Personen mit internem Wissen aus den börsenotierten Betrieben, an der Börse macht diesen nicht fairer. Im Gegenteil. Zu diesem überraschenden Ergebnis ist der Finanzökonom Thomas Stöckl, der am Management Center Innsbruck (MCI) unterrichtet, gekommen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Stefan Palan hat er in Experimenten die Auswirkungen von Insidergesetzgebung auf das Händlerverhalten, die erzielten Gewinne und den Markt erforscht.

Stöckl, der in Innsbruck Betriebs- und Volkswirtschaft studierte, kam schon bei seiner Diplomarbeit mit „experimental finance“, der Finanzmarktforschung mit experimentellen Methoden, in Berührung. Seither hat ihn dieses Themenfeld nicht mehr losgelassen: „Ich habe damals die Möglichkeit erhalten, Experimente mitzuentwickeln und sie durchzuführen. Allerdings zuerst noch im Bereich individueller Investitionsentscheidungen.“ Die Dissertation verfasste Stöckl am Institut für Banken und Finanzen der Universität Innsbruck, ebenfalls wieder mit experimenteller Unterstützung. Er beschäftigte sich darin mit dem Entstehen und Platzen von Finanzmarktblasen. Für die Habilitation schließlich verlegte er seine Forschung in den Bereich des Insiderhandels.

Experimente im Computerlabor

Die Experimente finden in eigens ausgestatteten Computerlabors mit bis zu 30 Geräten statt. Die einzelnen Versuche dauern zwischen 15 Minuten und drei Stunden. Stöckl: „Wir bilden die Aktienmärkte nach und verändern dann in den sogenannten Treatments schrittweise einzelne Details. Die Versuchspersonen werden leistungsabhängig entlohnt, damit sichergestellt ist, dass sie sich ernsthaft verhalten.“ Pro Treatment gibt es zwischen sechs und neun Wiederholungen, um so valides, also aussagekräftiges Datenmaterial zu erhalten.

So simulierten Stöckl und Palan einen Markt, in dem Insiderhandel zugelassen war oder eben nicht. Dabei stellten sie fest, dass Insider, wenn es eine entsprechende Gesetzgebung gibt, weniger an Transaktionen teilnehmen. Für den Markt bedeutet dies allerdings, dass sich die Preise deutlich schlechter dem tatsächlichen Wert einer Aktie annähern als mit Insiderhandel. Stöckl: „Die Preise sind, wenn es eine Insidergesetzgebung gibt, weniger effizient. Volkswirtschaftlich ist das wichtig, weil die Zuteilung von Investitionskapital an Firmen dadurch nicht mehr optimal funktioniert.“ Am verblüffendsten war allerdings die eingangs bereits erwähnte Entdeckung, dass der Markt bei geregeltem Insiderhandel nicht fairer wird: „Auf regulierten Märkten haben wir festgestellt, dass die Insider höhere Gewinne machen als auf unregulierten.“ Das Fazit der Forscher: Findet Insiderhandel statt, profitieren auch die uninformierten Händler davon.

Seit dem heurigen März hat Thomas Stöckl eine FH-Professur am MCI inne, zuvor arbeitete er dort bereits als Lektor. Und lernte dabei eine ganz neue Seite des Lehrens und Lernens kennen. Im Studiengang Betriebswirtschaft Online bekommt er seine Studierenden relativ selten zu Gesicht. Der Stoff wird im sogenannten Blended-Learning-Format vermittelt: Stöckl hält seine Vorlesungen großteils vor dem Computer, drei- bis viermal pro Semester gibt es aber Präsenztage, die Studierenden werden angehalten, in Gruppen zusammenzuarbeiten. Analog und digital.

Stöckl: „Am Anfang war das etwas ungewohnt. Ich bin immer noch in einem Lernprozess, wie man Wissen in diesem Modus am besten vermittelt, aber ich finde es ungemein spannend.“ Diese Art von Studium sei vor allem toll, weil sie Personen eine Chance gibt, die ein klassisches Studium nicht absolvieren könnten: meist Menschen, die bereits im Beruf stünden, das Studium für ein Fortkommen brauchten und die sehr genau wüssten, warum sie die Mühen auf sich nähmen.

Die experimentelle Forschung wird Stöckl jedenfalls weiterverfolgen: „Es gibt schon Ideen für weitere Projekte.“ Sie gehen aber ein wenig weg vom Insiderhandel hin zu methodischen Fragen, die die Anwendung von Experimenten im finanzwirtschaftlichen Bereich betreffen.

ZUR PERSON

Thomas Stöckl wurde 1982 in Tirol geboren, wuchs aber in St. Johann im Pongau, Salzburg, auf. Nach der Handelsakademie und dem Bundesheer begann er 2002 ein Studium der Betriebswirtschafts- und der Volkswirtschaftslehre an der Uni Innsbruck. Es folgten das Doktorat, Besuche als Visiting Lecturer an der Universität Aarhus (Dänemark), als Visiting Scholar am California Institute of Technology (USA) und 2015 die Habilitation.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2017)

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