Naher Osten

UNO versucht in Tempelberg-Krise zu deeskalieren

Israelische Sicherheitskräfte führen einen palästinensischen Demonstranten in Jerusalems historischem Stadtzentrum ab.
Israelische Sicherheitskräfte führen einen palästinensischen Demonstranten in Jerusalems historischem Stadtzentrum ab. (c) APA/AFP/AHMAD GHARABLI
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Israels Justizministerin fordert die Todesstrafe für jenen Attentäter, der drei Israelis in ihrer Wohnung erstochen hat. Bisher wurde nur Adolf Eichmann in Israel hingerichtet.

Die zunehmende Gewalt im Streit um den Zugang zum Jerusalemer Tempelberg ruft die internationale Gemeinschaft auf den Plan: Am Montag kommt der UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, um über Möglichkeiten zu einer Deeskalation des Konflikts zu beraten. Die USA schicken einen Spitzendiplomaten in die Region: Der Sondergesandte von US-Präsident Donald Trump für internationale Verhandlungen, Jason Greenblatt, machte sich noch am Sonntag auf den Weg nach Israel.

Der Gewaltausbruch vom Wochenende führte innenpolitisch zu harten Worten: Israels Justizministerin Ajelet Schaked fordert die Todesstrafe für jenen palästinensischen Attentäter, der am Freitagabend drei Israelis in ihrer Wohnung überfallen und erstochen hatte. Der nur 20-jährige Palästinenser namens Omar al-Abed trug Schussverletzungen davon, als ihn ein Nachbar der Familie danach außer Gefecht setzte. Er wird derzeit im Krankenhaus behandelt.

Höchststrafe vor Militärgericht

Unmittelbar vor dem Anschlag, der sich in der Siedlung Halamish nördlich von Ramallah ereignet hatte, kündigte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas an, alle Kontakte zwischen der Führung in Ramallah und Israel einzufrieren, einschließlich der Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich. Abbas protestierte damit gegen die umstrittenen Metalldetektoren, die Israel infolge eines Schussattentats am vergangenen Freitag, bei dem fünf Menschen umkamen, auf dem Tempelberg in Jerusalem aufstellen ließ.

Bei den seit Tagen andauernden Unruhen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften gab es am Wochenende erneut einen Toten, als ein 23-jähriger palästinensischer Demonstrant aus dem Ostjerusalemer Bezirk Abu Dis erschossen wurde.

Seit der Staatsgründung 1948 ist in Israel nur ein einziges Mal die Todesstrafe verhängt worden: 1962 wurde der Deutsche Adolf Eichmann erhängt, für die strategische Planung und Mitwirkung am Massenmord an den Juden im Zweiten Weltkrieg.

Der aktuelle Appell von Justizministerin Schaked (Partei „Das jüdische Haus“) stieß indes nun auf großen Widerhall. „Die Option der Todesstrafe existiert an Militärgerichten“, erinnerte Bildungsminister Naftali Bennett, Chef der Siedlerpartei, der auch Schaked angehört. Eine Gesetzreform sei dazu nicht nötig, setzte er hinzu, und rief die Militärstaatsanwaltschaft auf, die Todesstrafe für den Mörder der drei Siedler zu beantragen. Auch Verteidigungsminister Avigdor Lieberman (Israel ist unser Haus) sowie Transport- und Nachrichtendienstminister Israel Katz (Likud) machten sich stark für die Höchststrafe vor Militärgerichten.

Netanjahu warnt vor "populistischem Aufruf zur Rache"

Dementgegen forderte Regierungschef Benjamin Netanjahu im Verlauf von Regierungsberatungen am Wochenende Minister seiner Likud-Partei dazu auf, „verantwortlich“ vorzugehen. Er befinde sich in ständiger Absprache mit verschiedensten Sicherheitsdiensten, um „nüchtern, entschieden und verantwortungsvoll“ die Lage zu einer Beruhigung zu bringen. Das Todesurteil sei „keine Strafe, denn der Tod ist genau das, worauf die ruchlosen Terroristen hoffen“.

Netanjahu bezeichnete den Attentäter als „menschliche Bestie“, dennoch tat er den Vorschlag der Siedlerpartei als einen „populistischen Aufruf zur Rache“ ab.

Israels Regierung signalisierte Bereitschaft, von den umstrittenen Metalldetektoren am Tempelberg abzulassen. Schon letzte Woche hatte sich der Inlandsgeheimdienst Shin Beth gegen die Detektoren ausgesprochen. Die Geheimdienstler begründeten das damit, dass der Zorn über die Sicherheitsmaßnahme „schwerwiegende Folgen“ haben könne.

Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete indes am Sonntag von Kameras, Infrarotdetektoren und Scannern, die israelische Polizisten nun erst am Tempelberg installiert hätten. Ein israelischer Offizier bestätigte, man habe Kameras an einem Eingang zum Tempelberg installiert. Es war zunächst unklar, ob sie dort die Metalldetektoren ersetzen oder ergänzen sollten. Die Palästinenser lehnen alle Maßnahmen dieser Art an dem für Moslems und Araber heiligen Ort ab.

Palästinenserpräsident Abbas signalisierte, dass er keiner israelischen Sicherheitsmaßnahme zustimmen werde. „Ich erkläre, sämtliche Kontakte mit dem Besatzungsstaat einzustellen, bis Israel alle Schritte gegen unser palästinensisches Volk und Jerusalem rückgängig macht.“ Laut Wafa habe Abbas 25 Millionen Dollar für die „Standhaftigkeit der Palästinenser im besetzten Ostjerusalem“ zur Verfügung gestellt. Die islamistische Führung der Hamas im Gazastreifen tat die Erklärung von Abbas als „bedeutungslos“ ab und forderte ein Ende der israelischen Sperre Gazas.

Kooperation gegen die Hamas

Die Entscheidung, die Kontakte einzufrieren, sei ihm nicht leicht gefallen, meinte Abbas. Erst, wenn Israel alle Veränderungen am Areal rund um den Felsendom und die al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg rückgängig mache, sei er bereit zu erneuten Absprachen mit Israel. Die palästinensischen Sicherheitskräfte kooperierten seit zehn Jahren mit Israels Armee im Kampf gegen die Hamas. Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman gab sich gegenüber Journalisten unbesorgt: „Wir sind viele Jahre ohne Sicherheitszusammenarbeit ausgekommen. Wir schaffen das auch jetzt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2017)

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