Österreich überzeugte beim 1:1 gegen Frankreich vor allem defensiv und kann bereits mit einem Remis gegen Island den Aufstieg fixieren. Der Euphorie begegnet der Teamchef demütig.
Wageningen. Auf dem Rasen wurde mit den Fans „I Am from Austria“ intoniert, in der Kabine, im Bus zurück nach Wageningen getanzt und gefeiert. Nach dem 1:1 gegen Frankreich im zweiten Spiel der Frauen-EM war die Euphorie spürbar, die Wortmeldungen von Österreichs Frauennationalteam zeugten jedoch von Bodenhaftung. „Mit vier Punkten hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet. Es war zwar zweimal eng, daher bleiben wir demütig“, sagte Teamchef Dominik Thalhammer. Die Augen glänzten am Tag nach dem Punktegewinn gegen die Nummer drei der Welt und dem damit einhergehenden Riesenschritt in Richtung Viertelfinale noch.
Dem ÖFB-Team genügt im abschließenden Gruppenspiel gegen Island am Mittwoch (20.45Uhr, live, ORF eins) bereits ein Remis für den Einzug in die K.-o.-Phase, sollte Frankreich wie erwartet gegen die Schweiz punkten, sogar eine Niederlage. Das Wort Aufstieg wollte ein bestens gelaunter Thalhammer nicht in den Mund nehmen, an der Zielsetzung ändert das freilich wenig. „Es wäre hervorragend, würden wir die Vorrunde ohne Niederlage überstehen.“ Deutlicher formulierte es Torschützin Lisa Makas: „Die Tür zum Viertelfinale ist offen, jetzt müssen wir den Schritt durch machen.“
Stabile Abwehr und Nadelstiche
Wenngleich Österreich gegen Frankreich nervös und hektisch begann, fand die Mannschaft bald zurück zu ihrem Spiel. Die Fünferkette hatte das Flügelspiel der Französinnen gut im Griff, umgekehrt zeigte sich das ÖFB-Team im Vergleich zum Schweiz-Spiel kaltschnäuziger. Nach der vergebenen Riesenchance von Laura Feiersinger saß bereits der zweite Versuch von Makas (27.). Der Abschluss wurde zuletzt intensiv trainiert, denn genau diese Treffsicherheit braucht es gegen individuell bessere Gegner. Erst im Finish ging mit den Kräften auch die Ordnung ein wenig verloren. „Wir sind über unsere Grenzen gegangen“, erklärte Torhüterin Manuela Zinsberger, die das Gegentor nach einem Eckball auf ihre Kappe nahm. „Wenn ich rauskomme, muss ich den Ball haben.“ Dafür hielt die 21-Jährige danach das Remis mehrmals fest. „Ich stehe im Tor, um Bälle zu halten, und das Quäntchen Glück war auf unserer Seite.“
Makas entschädigte sich mit dem Treffer – das erste Gegentor für Frankreich nach einer makellosen EM-Qualifikation – für die eineinhalbjährige Leidenszeit nach zwei Kreuzbandrissen in Folge. „Das ist der Lohn für all die harte Arbeit“, sagte die Duisburg-Legionärin, die im Frühjahr ihr Comeback gegeben und nun ihr 50. Länderspiel gekrönt hat. Mit ihrer robusten Spielweise und Technik ist sie die erhoffte Bereicherung für die ÖFB-Offensive, die gegen die bereits ausgeschiedenen Isländerinnen besonders gefordert sein wird. „Sie sind die am unangenehmsten zu spielende Mannschaft“, warnte Thalhammer.
Personalsorgen
Sarah Zadrazil wird für Mittwoch fit werden, dafür ist Viktoria Schnaderbecks Teilnahme erneut fraglich. Nach überstandenen Knieproblemen erlitt die Kapitänin nun bei einem brutalen, aber ungeahndeten Foul eine tiefe Rissquetschwunde und musste genäht werden. „Das hätte die Schiedsrichterin sehen müssen“, kritisierte der Teamchef. „Es tut mir sehr leid für sie, weil sie so viel investiert hat. Aber sie wird zurückkommen.“
Ihren erstmaligen Primetime-Auftritt haben die ÖFB-Frauen schon jetzt zu bester Eigenwerbung genutzt, gegen Frankreich waren bis zu 704.000 Menschen im ORF live dabei. Den Boom in der Heimat bekommen die Spielerinnen jedoch nur am Rande mit. „Natürlich erhält man viele Nachrichten von Leuten, die sich ewig nicht mehr gemeldet haben“, berichtete Zinsberger. „Aber wir konzentrieren uns sowieso auf die wichtigen Sachen hier.“
FRAUEN-EM GRUPPE C
1.Österreich
2.Frankreich
3.Schweiz
4.Island
Frankreich – Österreich 1:1 (0:1). Tore: Henry (61.) bzw. Makas (27.).
Island – Schweiz 1:2 (1:1). Tore: Fridriksdottir (33.) bzw. Dickenmann (43.), Bachmann (52.).
Mittwoch: Island – Österreich (20.45 Uhr, live, ORF eins), Schweiz – Frankreich.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2017)