Türkei zieht schwarze Liste, die es nie gegeben hat, zurück

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Eine Liste deutscher Unternehmen, die mit Terroristen kooperieren? Präsident Erdogan leugnete stets die Existenz einer solchen Liste. Sein Innenminister spricht nun von einem "Kommunikationsproblem".

Die Türkei hat die umstrittene Liste mit knapp 700 terrorverdächtigen deutschen Unternehmen wieder zurückgezogen. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu habe am Vormittag mit seinem deutschen Amtskollegen Thomas de Maiziere telefoniert und von einem "Kommunikationsproblem" gesprochen, teilte ein Ministeriumssprecher am Montag in Berlin mit.

Soylu habe versichert, dass weder türkische Behörden in der Türkei noch in Deutschland gegen Unternehmen ermittelten, die auf einer Liste aufgeführt worden seien. Die Interpol-Stelle in Ankara habe am vergangenen Samstag die ursprüngliche Bitte an das BKA "förmlich zurückgezogen", zu diesen Unternehmen verschiedene Informationen zuzuliefern.

"Das nehmen wir als Klarstellung zur Kenntnis", sagte de Maizieres Sprecher. Insbesondere sei zu begrüßen, dass das Unterstützungsersuchen zurückgezogen worden sei. Weitere Vorwürfe seien ihm nicht bekannt, sagte der Sprecher des deutschen Innenministeriums weiter.

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Berichte über Ermittlungen gegen deutsche Unternehmen als "böse Propaganda" bezeichnet, die nur dazu diene, Druck auf deutsche Firmen auszuüben und international für Verunsicherung zu sorgen. Auch Premier Binali Yildirim hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

700 Unternehmen auf Liste

Die Liste hatte für erhebliche Unruhe auch in der deutschen Wirtschaft gesorgt. Nach Darstellung der deutschen Regierung hatte die Türkei im Mai über Interpol an Deutschland eine Liste mit knapp 700 Unternehmen übermittelt, die nach der ursprünglichen Mitteilung aus Ankara aufgrund ihrer Geschäftsbeziehungen zu türkischen Firmen aufgefallen seien und gegen die türkische Behörden wegen Terrorfinanzierung ermittelten.

Die deutsche Regierung hatte die Vorwürfe als absurd zurückgewiesen. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hatte von Investitionen in der Türkei abgeraten, da "völlig unbescholtene Unternehmen" in die Nähe von Terroristen gerückt würden. Daraufhin wurden auch Export- und Investitionsabsicherungen auf den Prüfstand gestellt.

"Noch alles auf dem Prüfstand"

Eine Sprecherin des deutschen Wirtschaftsministeriums sagte, trotz dieser Klarstellung herrsche für deutsche Unternehmen immer noch große Unsicherheit, was Investitionen und das Geschäftsgebaren der Türkei betreffe: "Das wird wohl auch noch eine Weile andauern." Es müsse auch weiter das klare Signal an die Türkei gesendet werden, dass Deutschland Rechtsstaatlichkeit erwarte. Die staatlichen Hermes-Bürgschaften zur Absicherung von Türkei-Geschäften und Ausfuhren in das Land würden nach wie vor geprüft. "Bei uns ist noch alles auf dem Prüfstand", sagte sie.

Auch müsste nun mit den EU-Partnern erörtert werden, ob ein Ausbau der Zollunion in der derzeitigen Lage sinnvoll sei, hieß es weiter aus dem Wirtschaftsministerium in Berlin. Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer ergänzte, eine Zustimmung zur Modernisierung der Zollunion sei für Deutschland derzeit nicht vorstellbar. Von der EU-Kommission erwartet sie sich eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Beitrittsverhandlungen gegeben seien.

(APA/dpa)

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