Dubai: Wüstenwunder, auf Treibsand gebaut

Dubai Scheich
Dubai Scheich(c) AP (Enric Marti)
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Lange galt das Emirat als Modell dafür, wie arabische Länder auch ohne Erdöl prächtig wachsen können. Nun droht ihm die Pleite. Die staatliche Holdinggesellschaft Dubai World kann ihren Zahlungen nicht mehr nachkommen.

Wien (gau).Der Emir war höchst ungehalten: „Wer an Dubai herumnörgelt, sollte besser das Maul halten“, erklärte Scheich Mohammed bin Rashid al-Maktoum Anfang November. Sein Sohn erzählte Investoren vor eineinhalb Wochen noch treuherzig, dass die Wirtschaft des Emirats am Golf „nett vor sich hinbrummt“.

Statt nett zu brummen, kracht sie nun böse. Letzten Donnerstag musste der Emir kleinlaut verkünden, dass die staatliche Holdinggesellschaft Dubai World ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr fristgerecht nachkommen kann. Die Gläubiger mögen sich bis Mai 2010 gedulden. Auf 80Mrd. Dollar belaufen sich die Staatsschulden. Das Märchenland aus Tausendundeiner Nacht steht kurz vor der Pleite.

Wie konnte es so weit kommen? Über ein Jahrzehnt lang wurde das „Modell Dubai“ gepriesen – als Beispiel dafür, wie sich ein Erdölland diversifizieren und auch nach Versiegen der Quellen prächtig wachsen kann. Im Gegensatz zum großen Nachbarn Abu Dhabi verfügte das Zwergemirat – es ist eine Spur kleiner als das Burgenland – nie über bedeutende Ölreserven; die bestehenden werden in wenigen Jahren erschöpft sein.

Noch vor 40 Jahren lebten nur 30.000 genügsame Nomaden in der Wüste. Doch dann kam der Emir mit seinen Visionen. Die traditionelle Rolle als Handelszentrum in der Golfregion genügte ihm nicht mehr. Sein Minireich sollte der Mittelpunkt der arabischen Welt werden – als Wirtschaftszentrum, Finanzplatz und Drehkreuz für den Flugverkehr.

Der Erfolg schien ihm lange recht zu geben. Der anfangs überdimensionierte Hafen füllte sich. Eine Freihandelszone lockte ausländische Firmen an. Vor allem aber wuchsen Wolkenkratzer in den Himmel, ein einzigartiger Bauboom brach los. Touristen staunten und hinterließen ihre Devisen in Einkaufszentren aus Marmor und Gold. Und über eine Million Menschen – Dienstleister und asiatische Bauarbeiter – zogen zu, machten die Einheimischen zur kleinen Minderheit und genossen Freiheiten und Freizügigkeiten, die sonst in arabischen Ländern undenkbar wären.

Kommen, um nicht zu bleiben

Doch die meisten kamen nicht unbedingt, um zu bleiben. Denn auf eine Voraussetzung nachhaltigen Erfolgs hat Dubai, im Gegensatz etwa zu Hongkong und Singapur, schlicht vergessen: auf den Aufbau von Universitäten und Forschungseinrichtungen. Das ist zumindest die These des britischen Orientalisten Christopher M. Davidson, der in dem Buch „Die Verwundbarkeit des Erfolgs“ schon im Sommer 2008 auf die Risken hinwies und dafür als Schwarzmaler kritisiert wurde.

Diese fehlende Nachhaltigkeit steckte, so scheint es, auch die Investoren an. Sie sahen nur noch das schnelle Geld und spekulierten mit „Flipping“-Geschäften auf Gebäude, die noch lange nicht gebaut waren, ja für die noch niemand Grund und Boden erworben hatte.

Dadurch entstand eine Immobilienblase auf Pump, die das Emirat in eine neue Abhängigkeit trieb. Mit dem Einbruch der Immobilienpreise um 40 Prozent stehen die Kaiser ohne neue Kleider da. Dass die Finanznot für viele überraschend kam, hat damit zu tun, dass der Emir nie Einblicke in seine Bilanzen gewährt hat.

„Demystifying Dubai Inc.“ lautet nun das Motto, das die Ratingagentur Moody's schon vor einem Jahr ausgab. Der Emir muss sich unangenehme Fragen gefallen lassen: Ist es auf Dauer erfolgversprechend, Touristen in ein Land zu locken, in dem drei Viertel des Jahres ein menschenfeindliches Klima herrscht? Wie lässt sich das Kapital fremder Investoren langfristig binden? Und was muss Dubai Managern bieten, damit ihre Familien sich eine solide Zukunft in der Stadt auf Sand aufbauen können? Das Maul verbieten lassen sich die Kritiker sicher nicht mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2009)

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