Die Richter in Luxemburg geben der Dublin-Verordnung Rückendeckung. Eine afghanische Familie hatte geklagt, weil sie von Österreich nach Kroatien rückgeführt worden waren.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte sich heute in einem Urteil hinter das Asylsystem der Europäischen Union. Der außergewöhnliche Migrationsstrom aus den Jahren 2015 und 2016 biete keinen Grund für ein Abgehen von der Dublin-Verordnung, entschieden die Richter. Kroatien sei zur Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz zuständig - auch, wenn die Flüchtlinge nachher in andere Länder weiterreisten. Denn gemäß der Dublin-Verordnung müssen Flüchtlinge im ersten EU-Land, das sie betreten, einen Asylantrag stellen.
Als Begründung gibt der Europäische Gerichtshof an, dass die Flüchtlinge die Außengrenzen von Kroatien im Sinn der Dublin-III-Verordnung "illegal" überschritten hätten. Die Flüchtlinge seien nicht im Besitz des erforderlichen Visums gewesen. Die Einreise seit trotz des "Weiterwinkens" der Staaten entlang der Balkanroute nicht rechtmäßig gewesen. Denn ein illegales Überschreiten einer Grenze liegt laut EuGH auch dann vor, "wenn ein EU-Staat Drittstaatsangehörigen die Einreise in sein Hoheitsgebiet aus humanitären Gründen und unter Abweichung von den für sie grundsätzlich geltenden Einreisevoraussetzungen gestattet".
Eine Rücküberstellung an den zuständigen EU-Staat sei nur dann nicht erlaubt, wenn die Überstellung für die Person, die internationalen Schutz beantragt hat, mit der tatsächlichen Gefahr verbunden ist, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erleiden.
Flüchtlinge betrachteten Einreise nicht als illegal
Konkret geht es um einen syrischen Staatsangehörigen und die Mitglieder zweier afghanischer Familien, die 2016 die Grenze zwischen Kroatien und Serbien überschritten hatten, obwohl sie nicht im Besitz des erforderlichen Visums waren. Die kroatischen Behörden organisierten ihre Beförderung per Bus bis an die Grenze zwischen Kroatien und Slowenien, um ihnen zu helfen, sich in andere EU-Staaten zu begeben und dort internationalen Schutz zu beantragen. Der syrische Flüchtling stellte anschließend in Slowenien einen solchen Antrag und die Mitglieder der afghanischen Familie taten dies in Österreich. Sowohl Österreich als auch Slowenien waren aber der Ansicht, dass die Antragsteller illegal nach Kroatien eingereist waren, so dass nach der Dublin-III-Verordnung die Behörden dieses EU-Landes ihre Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen hätten.
Die Betroffenen fochten die Entscheidungen der slowenischen und österreichischen Behörden gerichtlich an und machten geltend, ihre Einreise nach Kroatien könne nicht als illegal angesehen werden. Damit hätten die österreichischen und slowenischen Behörden ihre Anträge zu prüfen. Doch der EuGH argumentierte, dass die Einreise in die EU-Länder unter diesen Umständen "nicht als Visum eingestuft werden können, auch wenn sie auf außergewöhnliche, durch einen Massenzustrom von Flüchtlingen in die EU gekennzeichnete Umstände zurückzuführen ist."
EU-Maßnahmen gegen Polen, Ungarn und Slowakei
Außerdem zeichnete sich bereits am Dienstag im Streit um Flüchtlingsquoten eine Schlappe für Ungarn und die Slowakei ab. Generalanwalt Yves Bot empfahl am Mittwoch, die Klagen der beiden Länder gegen die Umverteilung von Migranten aus Italien und Griechenland abzulehnen.
EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos startete ebenfalls am Mittwoch die zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens wegen bisher nicht erfolgter Flüchtlingsverteilung durch Ungarn, Polen und Tschechien. Die im September auslaufende Regelung zur Umverteilung von Flüchtlingen aus Italien und Griechenland bleibe weiterhin bestehen, betonte er.
Da die wiederholten Appelle der Kommission ignoriert wurden, habe Brüssel heute die zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens an Tschechien, Ungarn und Polen geschickt, so der Kommissar. Er begrüßte in diesem Zusammenhang auch die Stellungnahme des EuGH-Generalanwalts zu Ungarn und der Slowakei. Wenn die Kommission Erfolg habe, die bisher nicht willigen Länder zu überzeugen, "dann haben wir keine Probleme".
Tschechien will im Streit um die Übernahme von Flüchtlingen von anderen EU-Staaten nicht einlenken. "Tschechien hat wiederholt darauf hingewiesen, dass das gesamte System der Quoten nicht funktioniert", sagte der sozialdemokratische Regierungschef Bohuslav Sobotka am Mittwoch.
Die Umsiedlung werde unter anderem deshalb scheitern, weil die Migranten wegen der "Vision eines besseren Lebens" in wirtschaftlich stärkere EU-Mitgliedsstaaten weiterziehen würden.
(APA/red.)