Zehn Gründe, um den Erfolgslauf der ÖFB-Frauen bei der EM in den Niederlanden nicht nur zu verstehen, sondern den sensationellen Einzug ins Viertelfinale auch richtig einzustufen.
1 15 Legionärinnen geben dem Team Ruhe, Routine und Spielkultur
Der EM-Erfolg mutet paradox an, zeigt Österreichs Damenliga doch weder Relevanz noch Größe. Ähnlich den ÖFB-Herren versucht sich das Gros der Spielerinnen (15) im Ausland, 14 sind in Deutschland engagiert. „Man wird mehr gefordert“, sagt Nina Burger (SC Sand).
2 Unbekümmertheit ist der Trumpf derer, die damit umzugehen wissen
Außenseiter haben nichts zu verlieren: Mentaltraining hat Teamchef Dominik Thalhammer den Seinen „anerzogen“, täglich ist eine Stunde dieses Trainings Pflicht. Sportpsychologin Mirjam Wolf gebührt ein Teil des EM-Erfolgs.
3 Es gibt drei ÖFB-Systeme, der Wechsel funktioniert einwandfrei
Die ÖFB-Frauen praktizieren drei Systeme (4-4-2, 4-2-3-1, 5-4-1), die Rollenverteilung ist klar, auch die Rangordnung. Automatismen, das Lenken der Motorik durch die Psyche, das Wechseln zwischen den Systemen – alles ist verinnerlicht.
4 Jugendlicher Elan: Die EM-Debütantinnen sind das jüngste Team
Österreichs Team ist mit durchschnittlich 23,17 Jahren das jüngste dieser EM, die Konkurrenz ist im Durchschnitt ein Jahr älter. Jasmin Pfeiler, 32, ist die einzige Mutter im ÖFB-Team, sie hat zwei Kinder.
5 Teamchef Dominik Thalhammer ist die respektierte Autorität
Der 46-Jährige hat die Mannschaft seit seiner Bestellung 2011 kontinuierlich weiterentwickelt, war zuvor Admiras Akademieleiter, Cheftrainer beim Sportklub und „lernte“ bei Karl Daxbacher (Lask).
6 Fitness: Die bessere Ausdauer als ausschlaggebendes Momentum
Vor dem Start in das EM-Jahr hatte Thalhammer klargemacht, worauf sein Fokus liegt: „Fitness, Fitness Fitness.“ Die harte Arbeit hat sich rentiert, das mit hoher Intensität und Laufarbeit verbundene ÖFB-Spiel hält 90 Minuten durch.
7 Teamgeist: Der Zusammenhalt wird offen gelebt, es gibt keinen „Star“
Zusammenhalt ist das Um und Auf in Teamsportarten. Abtauchen unter dicken Kopfhörern, Verstecken hinter Sonnenbrillen – bei Frauen undenkbar. Der Zusammenhalt wird offen gezeigt, im Training, im Spiel. Es gibt keine, die sich als „Star“ in Szene setzt.
8 Gelebte Bodenständigkeit, weil es ohne zweites Standbein nicht geht
Polizistin, Handels- und Bürokauffrau, Studentin, Kindergartenpädagogin etc. – jede der ÖFB-Frauen braucht ein zweites Standbein, es gibt keine Millionengagen.
9 Kampfgeist: Wenn sich Frauen auf ein Ziel eingeschworen haben
„Sie haben gekämpft wie die Löwinnen“, strahlte ÖFB-Präsident Leo Windtner. Carina Wenninger und Co. scheuen keinen Zweikampf – allerdings mit der nötigen Fairness (nur vier Gelbe Karten).
10 Kompensation ist möglich, weil der Kader breit aufgestellt ist
Verletzungen bzw. Pausen wie etwa bei Viktoria Schnaderbeck fallen nicht zu schwer ins Gewicht – Thalhammers Kader ist sehr breit aufgestellt – das könnte bei der EM noch von Wichtigkeit sein. (fin)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2017)